Andreas Zwengel: Panoptikum (Buch)

Andreas Zwengel
Panoptikum
Titelillustration von Domenico Remps
Saphir im Stahl, 2014, Taschenbuch, 376 Seiten, Euro 12,95, ISBN 978-3-943948-29-5

Von Carsten Kuhr

2008 schrieb das Online-Portal geisterspiegel.de einen Wettbewerb aus, der dem Gewinner eine Veröffentlichung seines phantastischen Romans als Hardcover versprach. Mit „Die Welt am Abgrund“ stand Andreas Zwengel auf dem Treppchen ganz oben und präsentierte der geneigten Leserschaft einen lupenreinen Steampunk-Roman. Voller abgedrehter Ideen verwöhnte dieser nicht etwa mit der gewohnten Londoner Kulisse, sondern war im Berlin der Kaiserzeit angesiedelt. Nach einem Ausflug in die Zeit des Wilden Westens – die Suche nach den legendären amerikanischen Goldstätten wird in „Sieben Städte aus Gold“ beschrieben – legt der Autor mit „Panoptikum“ seine dritte Buchveröffentlichung vor.

Der Band vereint die bislang in lang vergriffenen, kaum mehr erhältlichen Anthologien erschienen Kurzgeschichten und Novellen des Autors zwischen seinen Buchdeckeln. Zwengel hat zwei unveröffentlichte Erzählungen beigegeben, so dass man das Buch getrost als einen Überblick über sein Schaffen bezeichnen.

Überrascht war ich, in den zwölf enthaltenen Preziosen auf ganz unterschiedliche Sub-Genres zu treffen. Der Autor offeriert uns Geschichten die sich inhaltlich wie erzählerisch an klassischen Märchen orientieren, Storys über die Heimsuchung durch Vampire, Horror-Kurzgeschichten findet man ebenso wie – natürlich – Steampunk-Anklänge oder futuristische Phantasien.

So abwechslungsreich die Inhalte und Handlungsorte sind, so einheitlich gut, spannend und stilistisch ansprechend lesen sich die Erzählungen. Da spielt immer wieder hintergründiger Humor mit, nimmt der Autor bekannte Versatzstücke gängiger Bücher auf die Schippe und besticht durch eigene Ideen.

Den Auftakt macht ein Ausflug nach Siebenbürgen. Zwei Göttinger Professoren folgen Anno 1767 einer britischen Expedition und stoßen auf frische Gräber, abgetrennte Köpfe, viel Knoblauch und…
Danach geht es in die Zukunft. Ehemalige Hacker sollen einen der Mega-Konzerne zu Fall bringen – auch wenn sie der VR-Einsatz ihr Leben kostet.
Hänsel und Gretel gehen dann auf die Suche nach Hexen – schließlich müssen auch sie ihren Lebensunterhalt irgendwie bestreiten.
Der preußische Kanzler Otto von Bismarck wird von katholischen Selbstmordattentätern auf dem Weg nach Prag gejagt – da hilft der hochmoderne Dampfzug wenig…
Man schreibt den 16. Augustus 1636 als die lebendig gewordenen Gargoyles Paris angreifen und Louis XIII. – und mehr noch seinen Kardinal – jagen; Caspard, ein Musketier, findet sich immer wieder, nach jedem seiner gewaltsamen und schmerzhaften Tode, von Neuem den steinernen Ungeheuern gegenüber – die Spur führt nach Notre Dame…
Wie nur wird man der Vampirbedrohung Herr? Ganz einfach: strenge Gesetze und eine Glaspyramide, in der die Verurteilten Beißer ihr restliches Dasein verbringen – bis die Sonne ruft.
Tijuana, Mexiko, ist eine reizende Gegend, auch wenn die Gringos aus San Diego allabendlich zum Ausleben ihrer Phantasien die Grenze überschreiten. Doch der Wohnungsmarkt ist katastrophal – nur ein Haus, das frühere Anwesen eines Mannes, der für die Kartelle Leichen entsorgt hat, ist günstig zu haben – warum wohl?
Eine Terroristin zerstört in dem nächsten Beitrag die Welt – ein Segen, glaubt man den Nachkommen.
Im Berlin des Jahres 1901 grassiert ein Virus, der die Befallenen in rasende Bestien verwandelt und schaurige Leichen hinterlässt. Zwei Polizisten machen sich auf die Suche nach Täter und Motiv.
Eine Alien-Invasion geht, so die allgemein gebräuchliche Auffassung, immer mit viel Gewalt, Unterdrückung und dem Ableben der menschlichen Streiter einher. Dass es auch anders geht, zeigt die folgende Geschichte, die vom Kauf weiter Landstriche und anderen perfiden Ideen der Außerirdischen handelt.
Ein Monster im Körper einer reichen, jungen Frau macht von sich reden – erst ist es nur ein Stück der Hand, das hungrig ist, später dann wächst das Wesen und sein Appetit. Selbst eine Flucht nach Kanada bringt da wenig.
Auf Helgoland sitzen sie ein, die unheimlichen Wesen der Welt. Streng bewacht von deutschen Elitetruppen sind hier Werwölfe, Vampire und Hexer aller Couleur eingekerkert – bis ein SS-Führer von einer mehr als schlagkräftigen Einsatztruppe träumt…

Wie man sieht, ist für Abwechslung gesorgt, so manche der Ideen hätten locker für einen Roman gereicht, so aber verzückt die kurze, pointierte Geschichte und zeigt uns einen Autor, von dem noch viel zu erwarten ist.