Alisha Bionda (Hrsg.): Erinnerungen an Morgen – Steampunk 1 (Buch)

Alisha Bionda (Hrsg.)
Erinnerungen an Morgen
Steampunk 1
Titelbild und Innenillustrationen von Crossvalley Smith
Fabylon, 2012, Paperback, 230 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-927071-69-8

Von Carsten Kuhr

Steampunk, so hörte man vor zwei Jahren auf der Buchmesse, ist das Subgenre, das die Phantastische Literatur wieder auf die Überholspur führen würde. Nach den High-Fantasy-Romanen in der Nachfolge von „DerHerrn der Ringe“, den Zauberlehrlingen der Potter-Klone, den Vampiren der BISS-Epigonen und den Dystopien, die mit den Tributen von Panem zu einem beispiellosen Höhenflug ansetzten, erhofften Verlage und Buchhandlungen von der Verbindung des verklärt dargestellten viktorianischen Dampfzeitalters und verrückten Erfindungen oder Magie das große Geschäft.

Zwar blieb der ganz große Ansturm auf die Bücher bislang aus, vielleicht auch, weil keine unterstützenden Kino-Blockbuster auf der Leinwand brillierten, doch jeder Verlag bemühte sich, entsprechende Werke zu publizieren. Abgesehen von Feder & Schwert, die als Vorreiter gleich eine eigene Steampunk-Reihe aus der Taufe hoben, vermisste man bei den Kleinverlagen entsprechende Bemühungen. Dies ändert sich nun und mit der von Alisha Bionda betreuten „Steampunk“-Reihe legt auch Fabylon eine entsprechende Buchreihe auf. Erneut wird hierbei darauf Wert darauf gelegt, dass die Bücher und deren Inhalt auch im Innenteil mit passenden Illustrationen geschmückt werden.

Den Auftakt machen zwei Anthologien, die dem Leser den Mund ein wenig wässrig machen sollen auf das, was in Vorbereitung ist. So erwarten uns Prologe von Romanen, an deren Entstehung gerade gearbeitet wird, Auszüge aus Werken die zur Publikation vorbereitet werden und eigenständige Novellen. Sechs Geschichten umfasst der erste Teil, die auf jeweils ganz eigene Weise aufzeigen, wie vielfältig das Subgenre sein kann, Beiträge, die abenteuerlich und nachdenklich, hintergründig und phantasievoll den Leser an die Seiten bannen.

Alisha Bionda greift dabei auf eine mittlerweile gewohnte Riege etablierter Autoren zurück. Sie alle haben bereits bewiesen, dass sie zu unterhalten wissen, bieten neben einer handwerklich ansprechenden Ausführung das, was der Leser in der Phantastischen Literatur immer sucht: die Begegnung mit dem Unbekannten, dem Mysteriösen und Gefährlichen. Folgen Sie der Herausgeberin und ihren Autoren also einmal mehr in ein früheres, etwas anderes London, in dem die Kraft der Erfinder für gar denkwürdige Maschinen und Ideen bürgt.

In Guido Krains „Steam is Beautiful“ kehrt ein mittelloser Erfinder an die Stätte seiner Kindheit zurück. Hier, wohl verborgen in einem hochherrschaftlichen Anwesen, ist er bei seinem Onkel aufgewachsen, der ihn dann verstieß. Und hier erbt er nicht nur dessen Vermögen, sondern muss auch feststellen, dass sein Oheim seine Pläne aus Jugendtagen verwirklicht und ausgebeutet hat. Als ein allzu eifriger Kunde seines Onkels ihn bedrängt, kommt es ihm zupass, dass er auf eine wackere Haushälterin vertrauen kann – auch wenn diese aus Stahl geformt ist.
Der Prolog seines für Dezember 2012 in Vorbereitung befindlichen Romans stellt dem Leser nicht nur einen genialen Erfinder, sondern auch ein Zimmermädchen mit französischem Akzent vor, das sich um das Wohl ihrer Herrschaft mit ihrem stählernen Herzen sorgt. Komisch anmutend etwa, wenn sie ihre metallenen Lippen mit rotem Lack nachzieht, nachdenklich, wenn man mit dem Mastermind über die Auswirkung von Erfindungen und deren Missbrauch nachdenkt, weckt Krain hier Appetit auf mehr.

In Bernd Perplies’ „Der Automat“ begegnen wir dem zuverlässigsten Attentäter seiner Zeit. Jeden Auftrag bringt er zur Zufriedenheit seiner Kunden über die Bühne. Einzig Kinder und Frauen werden von ihm als Opfer der Auftragsmorde abgelehnt – doch ist ein mechanisches Kind wirklich ein Kind oder eine Maschine? Über den Dächern Londons kommt es zum Aufeinandertreffen von Täter und Opfer.
Eine nachdenkliche Story, in der es hintergründig mehr darum geht, ab wann eine Maschine lebendig wird, ob eine Maschine Gefühle haben kann, die sie auf die Ebene eines Lebewesens heben.

Sören Preschers „Erinnerungen an Morgen“ nimmt sich der Möglichkeit an, mittels Hypnose in frühere Leben einzutauchen. Einst ein mittelloser Arzt, machte Henry sich durch Anwendung des Mesmerismus als Behandlungsmethode einen Namen. Immer wieder aber stößt er, bei seinen Behandlungen auf frühere Leben seiner Patienten. Was aber wäre, wenn man nicht nur in frühere Leben zurückgehen, sondern auch auf diese Weise die Zukunft besuchen könnte. Nicht nur ein Vermögen ließe sich an der Börse verdienen, Erfindungen der Zukunft ließen sich kopieren, auch dem Geheimnis der Existenz könnte man auf den Grund gehen – wenn es da nicht eine geheimnisvolle Kontrollinstanz geben würde.
Geschickt nutzt der Autor hier das Vehikel des zunächst selbstlosen Forschers als Aufhänger für seine Geschichte. Wo hört der Gedanke des Helfens auf, wo beginnt die Gier? Ist alles, was machbar, ist auch moralisch zulässig? Fragen, die sich aufdrängen.

In K. Peter Walters „Bringen Sie uns den Kopf von Abu Al-Yased“ nutzt das Empire ein neuartiges Vehikel, um einem Piraten das Handwerk zu legen. Stellen Sie sich ein Luftkissenboot vor, das mittels Dampfantrieb einen Korsaren und seine Mannschaft nicht nur zu Wasser, sondern auch in der Wüste verfolgen kann. Erstaunt findet sich der Freibeuter plötzlich und unerwartet in der Rolle des Gejagten wieder.
Etwas kurz geraten ist dieser Beitrag, so dass die unbestrittenen Stärken des Autors, die Verbindung sorgfältig recherchierter Fakten aus der Vergangenheit mit phantastischen Motiven, dieses Mal ein wenig kurz kommt. Darüberhinaus ein wohltuend anderes Piratenabenteuer.

Auch wenn in Tanya Carpenters „Varieté D’Immortal“ Vieles nur Lug und Trug ist, das dem zahlenden Publikum im Varieté geboten wird, so wartet in der letzten Aufführung doch wahrlich Erstaunliches auf die Zuschauer. Was ihnen im wahrsten Sinne des Wortes den Atem rauben wird ist die Wiederbelebung einer Verblichenen, die in kryonischer Kälte konserviert wurde.
Auch hier geht es hintergründig wieder um Moral. Kann, ja soll man Verstorbene wieder zum Leben erwecken? Wie hoch ist der Preis, der ein solches Handeln nach sich zieht und ist dieser zu rechtfertigen? Fragen, die sich die Autorin in einer spannenden Rahmenhandlung stellt.

Vor Jahren verschwand eine wissenschaftliche Expedition in Andreas Grubers „Der Maya-Transmitter“ mitten im mexikanischen Urwald nahe Uxmal. Was ist den Forschern damals zugestoßen? Die Antwort findet sich in einem verborgenen Labyrinth unterhalb der großen Pyramide. Hier stoßen die Forscher auf die legendäre Maya-Maschine.
Gruber entführt uns zunächst ganz auf abenteuerlichen Spuren in den mittelamerikanischen Urwald. Archäologen, alte Pyramiden dazu das Reich der Maya – dazu ein Geheimnis und ein vom Schicksal gebeutelter Forscher sorgen in der atmosphärisch dichten Erzählung für Spannung.