Mission Mars: Die Ankunft & Mission Mars: Die Brut, Wolfgang Hohlbein u.a. (Buch)

Mission Mars: Die Ankunft
Wolfgang Hohlbein, Claudia Kern, Susan Schwartz, Frank Thys
Bastei Lübbe, 2012, Taschenbuch, 592 Seiten, 8,99 EUR, ISBN 978-3-404-20649-0

Mission Mars: Die Brut
Timothy Stahl, Manfred Weinland, Susan Schwartz
Bastei Lübbe, 2012, Taschenbuch, 608 Seiten, 8,99 EUR, ISBN 978-3-404-20650-6

Von Thomas Harbach

Mit den beiden umfangreichen Taschenbüchern „Mission Mars – Die Ankunft“ und „Mission Mars – die Brut“ legt Bastei Lübbe sehr preisgünstig den ersten Spin Off ihrer Heftromanserie „Maddrax“ ein weiteres Mal neu auf.

Zwischen Mai und September 2005 erschienen insgesamt zwölf Hefte, die mit dem kleinen Jubiläumsband der Hauptserie 150 schließlich handlungstechnisch zusammenliefen. Der Autor des Auftaktheftes, Wolfgang Hohlbein, entwickelte die Serie zusammen mit Michal Schönenbröcher. Die inzwischen auch wieder verstärkt in die laufende Serie übernommene Grundidee einer Science-Fiction-Handlungsbasis wird in den vier Trilogien sehr geschickt extrapoliert. Zu den Autoren gehören unter anderem Susan Schwartz, Claudia Kern, Timothy Stahl und Manfred Weiland.

Mit ungeheurem technischem Aufwand schickt die Erde im Jahre 2009 – drei Jahre vor dem Kometeneinschlag – eine bemannte Expedition zum Mars an Bord der BRADBURY. Die Expedition wird im Grunde überhastet ausgeführt und nach dem Flug muss das Raumschiff auf dem Mars notlanden. Bittere Ironie ist, das der Einschlag des Kometen auch eine Rückkehr zur Erde unmöglich gemacht hätte. Wolfgang Hohlbein beschreibt in seinem ausgesprochen kompakten Auftaktroman nicht nur den Flug zum Mars, sondern vor allem den aus der Not beginnenden Überlebenskampf der Astronauten. In Bezug auf die laufende Serie altert während des Fluges das einzige nicht in künstlichen Tiefschlaf versetzte Besatzungsmitglied Bergmann, als das Schiff einen geheimnisvollen Strahl durchfliegt. Dieser Strahl wird in den späteren „Maddrax“-Heftromanen der laufenden Serie noch eine wichtige Rolle spielen. Der Strahl hat aber nicht nur Bergmann deutlich gealtert, sondern auch eines der vorausgeschickten Transportschiffe beschädigt. Hohlbein lässt den Roman in einem Cliffhangar gipfeln.

Die beiden folgenden Bände, „Gestrandet“ aus der Feder Claudia Kerns und „Überleben“ von Susan Schwartz, beschreiben den alltäglichen Überlebenskampf inklusiv der Gründung der Kolonie und der Geburt der ersten Marskinder. Die ersten drei Romane gehören aufgrund ihres realistischen Technikansatzes und vor allem der bodenständig realistischen Handlung zu den besten Heften dieser Miniserie. Die Autoren greifen zwar auf einige Klischees wie das letzte mit Atombomben bestückte abstürzende Transportschiff zurück, aber insbesondere die Anpassung an eine im Grunde unwirtliche Welt – die Autoren haben die neusten Forschungen über den roten Planeten in die laufende Handlung einfließen lassen – gleicht diese Schwächen aus.

Das zweite Viertel setzt mehr als achtzig Jahre nach den ersten Bänden ein. Auf den ersten Blick ist es irritierend, sich jeweils mit einer neuen Protagonisten-Generation auseinandersetzen zu müssen, aber dadurch ergibt sich ein viel realistischeres Panoramabild. In „Artefakte“ von Frank Thys, der die mittlere Trilogie alleine geschrieben hat, beginnen die jetzt gebürtigen Marsianer verschiedene Hinterlassenschaften der Alten zu untersuchen, bevor in „Invasion!“ und „Der Vorstoß“ eine militärische Einheit von der Erde entsandt die Kolonie zu erobern sucht. Frank Thys beantwortet insbesondere im abschließenden dritten Band seines Blocks eine Reihe von Fragen, die in der ersten Trilogie aufgeworfen worden sind. Während die Erkundung der Station der Alten inklusiv der dort aufgefundenen wichtigen Laserwaffen ausgesprochen interessant und atmosphärisch überzeugend beschrieben worden ist, wirkt die klischeehafte, aber ausgesprochen brutal beschriebene Invasion von der Herde, wie eine Plot-Facette, die die Autoren immer wieder benutzen, wenn sie die gerade wieder erstandenen zarten Zweige von Zivilisation auf der Erde beseitigen wollen. Insbesondere die Terraner sind eindimensional und wenig überzeugend charakterisiert, während ihre Handlungen zweckmäßig und rücksichtslos sind. Bis die Marsianer sich ein wenig vom drohenden Joch der Erde befreien können, fließt sehr viel Blut in den roten Sand. Eine Reihe von interessanten, liebgewordenen Charakteren wird teilweise brutal getötet oder muss sich für das Allgemeinwohl opfern, obwohl in „Der Vorstoß“ die geheimnisvollen, bislang nicht erklärbaren Entwicklungen insbesondere im Vergleich zur bislang deutlich bodenständigeren Handlung viel zu stark zunehmen. Die Zerstörung ihrer bisherigen, aufgrund von Einfaltreichtum, Entbehrungen und stoischem Fleiß errichteten Kolonie schmerzen nicht nur die Protagonisten, das von den Autoren insbesondere in den ersten drei Heftromanen etablierte Bild ist so überzeugend, das der Leser beginnt, mit ihnen zu leiden.

Der nächste handlungstechnische Sprung beträgt zur dritten Miniserie einhundertfünfzig Jahre. Timothy Stahl und Manfred Weiland bestreiten diesen Block. In „Die Brut“ – der Titel des zweiten Taschenbuchsammlers – beschreiben die Autoren die inzwischen fortgeschrittene Besiedelung inklusiv entsprechenden Terraforming des roten Planeten. Eine Käferplage, anscheinend aus einer bislang unbeachteten Region kommend, vernichtet einen Großteil der mühsam dem kargen Boden abgerungenen Ernte. Während in „Inferno“ durch befreite Lavaströme aus einer Energiewaffe das den titelgebende „Inferno“ ausgelöst wird, verändern sich einige durch die Käfer infizierte Menschen und beginnen die Siedlungen zu verlassen. Der abschließende Roman dieses Blocks, „Bruderkrieg“, spielt achtzehn Jahre später. Die Marsianer haben sich inzwischen aufgespalten. Die meisten leben noch in den Städten, aber eine kleine Gruppe lebt in den sich mehr und mehr ausbreitenden Wäldern in Führung der Baummutter in Einklang mit der Natur. Vielleicht ist es ein bisschen ungerecht, aber nach der actionbestimmten ersten Hälfte der Miniserie kommt diese ökologische Komponente nicht nur ein wenig zu sehr mit dem Holzhammer, die sozialen Entwicklungen wirken zu wenig konsequent extrapoliert und die einzelnen Positionen teilweise zu klischeehaft zwanghaft auf Konflikt ausgelegt und unversöhnlich, obwohl verschiedene Kompromisse, Brückenschläge machbar erscheinen. Auf dem Mars wirken einige der Fantasy-Element zu irdisch, zu wenig bizarr. Dagegen sind die Figuren wieder überzeugender und exzentrischer beschrieben, was diese dritte Viertel nicht zu einer gänzlichen Enttäuschung macht.

Knappe zweihundertfünfzig Jahre später und damit zeitlich eng an der laufenden Heftromanserie kommt es zum „Aufbruch“, zur Expedition zur Erde. Susan Schwartz bestreitet diesen Abschnitt alleine und gehört damit zu den produktivsten Autoren dieser Miniserie. In „Die Basis“ und schließlich „Rückkehr“ wird die Expedition zur Erde beschrieben. Die Marsianer erfahren zum ersten Mal vom Kometeneinschlag und sind vom Rückfall in die Primitivität zumindest der schottischen Hochlandbewohner in der Nähe des Loch Ness schockiert. Sie können schließlich unter großen Opfern die Erde verlassen, nachdem sie die handlungstechnisch später wichtige Mondstation als Basis einer weiteren Erforschung der Erde wieder in Betrieb genommen haben. Susan Schwartz beschreibt sehr gut die unterschiedliche Entwicklung auf dem Mars, wo die ersten Astronauten dank der wenigen vorhandenen Notausrüstungsgegenstände eine im Vergleich zur in die Barbarei zurückgefallenen Erde eine hochstehende Kultur aufgebaut haben. So interessant der Flug zur Erde inklusiv der Erkundung der Mondstation auch ist, so enttäuschend – sicherlich auch für die Marsianer – ist die abschließende auf der Erde spielende Sequenz, in der auf der einen Seite das beschädigte Raumschiff unter primitivsten aber einfallsreichen Umständen wieder repariert werden muss, und auf der anderen Seite die etwas naiven Marsianer sich aus Gefangenschaft der Barbaren wieder befreien müssen. Der Ablauf wird zwar dynamisch, aber im Grunde wenig einfallsreich beschrieben. Den frühen Heftromanen entspricht die nihilistische Stimmung am Ende. Die Expedition zur Erde ist zumindest am Ende von „Mission Mars“ ein Fehlschlag gewesen. Später veröffentlichte Hefte der Hauptromanreihe werden diese Einschätzung zum Teil gravierend relativieren. Susan Schwartz gelingt es, die einzelnen Kosmonauten solide zu charakterisieren und für den Leser zugänglich zu machen, was emotional in „Rückkehr“ die eher schwache und vorhersehbare Handlung ausgleicht.

Bastei Lübbe hat die zwölf Hefte in zwei mit schönen Titelbildern ausgestatteten preisgünstigen Taschenbüchern zusammengefasst. Der erste „echte“ Abstecher in den Hard-Science-Fiction-Bereich unterhält auch gute sieben Jahre nach der Erstveröffentlichung solide. Interessanterweise verschob sich anschließend der Fokus der Hauptserie auch mehr und mehr von einer rein dunklen, eher an Horror erinnernden brutalen Zukunft zu einer Science-Fantasy-Serie. Viele der in „Mission Mars“ eher angedeuteten Ereignisse sind inzwischen umfassender und selbsterklärender in der laufenden Serie noch einmal aufgegriffen worden. Stilistisch ansprechend wird die Geschichte der Besiedelung des Mars immer die Klassiker wie Ray Bradburys „Die Mars-Chroniken“ oder Stanley G. Weinbaums „Eine Mars-Odyssee“ im Auge behaltend insbesondere in der ersten qualitativ herausragenden Hälfte sehr gut erzählt. Insbesondere der lange Zeitraum erinnert an die Romane zur Serie bei Zaubermond, in denen sich Jo Zybell insbesondere als Autor ausgezeichnet hat. Zusätzlich unterstützt „Mission Mars“ die damals laufende Handlungsebene sehr gut, indem sie ein interessantes vielschichtiges Portrait der Besiedelung des Mars ohne die Unterstützung der Mutterwelt gezeichnet hat.

Die Autoren bemühen sich, der Kultur ein eigenes Gesicht zu geben. Mit einem kommerziellen Zugpferd wie Wolfgang Hohlbein exzellent eingeführt sowie weiteren erfahrenen Autoren unterhalten die vier Trilogien bis auf das etwas überstürzte und nicht ganz zufriedenstellende Ende sehr gut und haben sicherlich einige Leser an „Maddrax“ heranführen können.