Patrick Rothfuss: Die Furcht deS Weisen 1 – Die Königsmörder-Chronik – Zweiter Tag (Buch)

Patrick Rothfuss
Die Furcht des Weisen 1
Die Königsmörder-Chronik – Zweiter Tag
(The Wise Man’s Fear)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Jochen Schwarzer und Wolfram Ströle
Titelillustration von Kerem Beyit
Klett-Cotta, 2011, Hardcover, 860 Seiten, 24,95 EUR, ISBN 978-3-608-93816-6

Von Carsten Kuhr

Willkommen zurück in der Welt von Kvothe, dem Königsmörder, auch bekannt unter dem Namen Kvothe, der Blutleere. Seit Kvothes Eltern, fahrende Schauspieler und Musikanten, von den Chandrian, mysteriösen Sagengestalten, ermordet wurden, steht der junge Mann alleine auf der Welt. Mittlerweile hat sich der wissbegierige und talentierte Junge nicht nur an der Universität nahe Imre eingeschrieben und seine überragende Intelligenz offenbart, er hat sich auch Feinde gemacht.

Mit dem reichen Ambrose verbindet ihn eine von beiden Seiten verbittert geführte Fehde, die er nur dank seiner wenigen, guten Freunde ohne ernsthafte Verletzungen übersteht. Als begnadeter Musiker hat er sich einen Ruf aufgebaut, und versucht, mit Hilfe seiner Laute seine Semestergebühren zusammenzubekommen. Doch ein ums andere Mal kommt ihm entweder Ambrose oder sein aufbrausendes Naturell dazwischen, so dass er zu Beginn des neuen Trimesters einmal mehr die Dienste der dubiosen Geldverleiherin Dämonen-Devi in Anspruch nehmen muss. Als Pfand muss er einige Tröpfchen seines Blutes hinterlegen.

Zwar ist seine Verbannung aus der Bibliothek aufgehoben, doch ein heimtückischer Sympathieangriff, hinter dem einmal mehr sein Todfeind steckt, sorgt dafür, dass er erneut die von den Meistern gesetzten Grenzen zu überschreiten gezwungen ist.

Es wird Zeit für ihn, die aufgewühlten Wogen zur Ruhe kommen zu lassen, und sich eine Auszeit zu nehmen. Die Suche nach einem Schirmherrn führt ihn an den Hof von Alveron. Dass er den Maer vor einem heimtückischen Anschlag retten kann, sichert ihm die Gunst des Herrschers, den er bei der Brautwerbung unterstützen soll. Dass er zudem und unerwartet in Alveron auf die von ihm angebetete Denna trifft, sorgt dafür, dass seine Muse munter sprudelt. Als er die scheue, auf ihre Selbständigkeit pochende Denna verstimmt, wendet sich sein Schicksal erneut zum – Interessanteren…

Vor drei Jahren legte Klett-Cotta innerhalb seiner Hobbit Presse den ersten Band der „Königsmörder“-Trilogie eines bis dato unbekannten Erzählers auf. Mit „Der Name des Windes“ eroberte der Verlag damit nicht nur die Bestsellerlisten, sondern auch die Herzen der Leser. Mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Deutschen Phantastik Preis für das Beste ausländische Werk – wogte die Begeisterung der Fans hoch. Ungeduldig warteten sie auf den zweiten Band der nun, aufgrund des Umfangs, mit Billigung des Autors (vgl. hierzu Christian Endres’ Artikel „Im Dialog“ in „phhantastisch!“ Ausgabe 44) in zwei Teilen erscheint.

Wie bereits im Auftaktband bietet uns Rothfuss zwei alternierende Handlungsstränge an. Ausgehend von dem etwas kauzigen, aber allseits beliebten Wirt Kote, der in einem unbedeutenden Dorf lebt, und hinter dessen unscheinbaren Äußeren keiner den legendären Kvothe vermuten würde, erzählt er einem Schreiber seine Memoiren. Immer wieder wird dabei die Ich-Erzählung Kvothes durch kurze Einschübe im Gasthaus unterbrochen, ohne dass diese Zäsuren den Handlungsfluss stören würden. Ganz im Gegenteil wird durch die Besuche im Gasthaus, die stilistisch in der allwissenden Erzählperspektive ausgeführt sind, die Neugier des Lesers noch genährt.

Eigentlich passiert in der ersten Hälfte des Buches nicht wirklich viel. Wir verfolgen Kvothes Bemühungen sich zu bilden weiter, besuchen mit ihm die Musikkneipen Imres und beobachten, wie er, wider besseren Wissens immer wieder mit dem einflussreichen Fürstensohn Ambrose aneinander gerät. Und trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb? – liest sich der Text flüssig und unheimlich intensiv auf einen Rutsch durch.

Was nur aber bannt den Leser an die Seiten? Sind es die kurzen 92 Kapitel, die für Tempo und Dramatik sorgen? Sind es die liebevoll gezeichneten Charaktere oder vielleicht doch die immer im Hintergrund mitschwingenden Geheimnisse um die Chandrian? Das Los der Edema Ruh und die Geschichte, die hinter der Wandlung Kvothes in den Wirt Kote steckt? All dies vereint sich zu einem faszinierenden Garn.

Immer wieder verwöhnt Rothfuss mit Geschichten in der Geschichte, baut neue Mysterien auf und entwickelt seine Figuren fort. Dass er sich dabei auf seinen Protagonisten konzentriert, den er immer wieder in neue Situationen setzt, die diesen zwingen sich neu zu orientieren, sich fortzuentwickeln, sorgt dafür, dass der Leser konzentriert der vielschichtigen Persönlichkeit Kvothes folgt.

Und dieser ist dabei beileibe kein einfacher Mensch. Auch wenn ihn eine in eigenen Grenzen ruhende moralische Integrität auszeichnet, ist er allzu oft aufbrausend, unbeherrscht, dann wieder melancholisch und nachdenklich. Er hadert mit seinem Schicksal, nur um dieses dann umso entschlossener anzunehmen. Sein Wissensdurst, seine Loyalität zeichnen ihn dabei ebenso aus, wie sein Fleiß und der Nimbus des armen Kindes, der sich aus eigener Kraft aus seinem Elend erhebt und verdient triumphiert – nur, dass wir Letzteres noch nicht wissen.

Sein Schicksal, verborgen unter angenommenem Namen als Wirt lebend, weist nicht eben darauf hin, dass er seine Ziele, die Geheimnisse um die Mörder seiner Eltern, die mysteriösen Chandrian aufzuklären und ein geachteter Arkanist zu werden, wirklich erreicht hat. Gerade weil er bislang alle Prüfungen meistert, stellt sich uns die Frage, warum er dann nicht als allseits geachteter Meister an der Universität lehrt oder ein Reich führt. Fragen, auf die der für Februar in Vorbereitung zweite Teil dieses Romans auch noch keine Antworten bereit halten wird. Dort werden wir unseren Erzähler weiter bei der Erforschung seiner Welt begleiten, werden sehen und miterleben, wie er an seinen Prüfungen reift, sich weiterentwickelt und nicht zuletzt, wie er weiterhin Fehler begeht, wie er auf unlösbare Fragen stößt aus denen er dann am Meisten lernt.

Sprachlich mustergültig übersetzt, wartet erneut ein Buch voller Poesie, stiller, nachdenklicher Momente aber auch voller Spannung und Dramatik auf den Leser, das nahtlos an den Eröffnungsband anknüpft.