Alaya Johnson: Moonshine – Stadt der Dunkelheit 1 (Buch)

Alaya Johnson
Moonshine
Stadt der Dunkelheit 1
(Moonshine, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Christiane Meyer
Titelgestaltung von ZERO Werbeagentur unter Verwendung mehrerer Motive von Elisa Lazi de Valdez/Corbis; Gerryimages/Comstock; Gettyimages/Imagno/Kontributor; FinePic
Autorenfoto von Alden Ford
Knaur, 2010, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 426 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-426-50716-2

Von Irene Salzmann

New York in den 1920er Jahre: Zephyr Hollis kämpfte einige Jahre mit den ‚Defender‘ gegen ‚die Anderen‘ und tötete so manchen Vampir, der die Gesetze gebrochen hatte. Allerdings kann sie die gequälten Gesichter der Angehörigen ihrer Opfer nicht vergessen: Eltern, Lebenspartner, Kinder. Um wieder mit sich ins Reine zu kommen, hängte sie ihren Job an den Nagel und engagiert sich seither für die Belange der Anderen, da sie davon überzeugt ist, dass es ein friedliches Miteinander geben kann.

Als sich Zephyr eines kleinen Jungen annimmt, der von Vampiren gequält, ausgesaugt und gewandelt wurde, bringt sie sich in größere Gefahr, als sie zunächst ahnt. Auf der Suche nach Judahs Mutter erringt sie das Vertrauen der ‚Turn Boys‘, einer Gang, die aus Kinder-Vampiren besteht und die sie für die Schuldigen an dem hält, was ihrem Schützling widerfuhr. Sie könnte die Gruppe den Defender ausliefern, die die Bande längst ins Visier genommen haben, aber sie braucht den Anführer Nicholas lebend, um an dessen Vater Rinaldo heranzukommen. Dieser kontrolliert schon seit einigen Jahren Little Italy, und selbst die Polizei wagt es nicht, sich mit ihm anzulegen. Nicht nur ist der mysteriöse Vampir, der sich selbst seinen eigenen Leuten seit Jahren nicht mehr zeigte, verantwortlich für die Verbreitung von ‚Faust‘, einem alkoholischen Getränk, das wie eine Droge auf Vampire wirkt, sondern er hat auch den Ifrit Amir, der Zephyr um Hilfe bat, mit seinem Blut vergiftet. Bleibt Rinaldo unauffindbar, muss der Dschinn, in den sich Zephyr verliebt hat, sterben...

Alaya Johnson nimmt ihre Leser mit in eine Alternativwelt, die dem frühen 20. Jahrhundert, den Golden Twenties in den USA, nachempfunden ist. In dieser leben die Menschen zusammen mit den sogenannten Anderen, zu denen Vampire, Gestaltwandler, Feen, Dämonen etc. zählen. Sie alle werden mit den aus jener Ära bekannten Konflikten (Arbeitslosigkeit/schlechte Bezahlung, Prohibition/Alkoholschmuggel, Gewaltverbrechen, Rassendiskriminierung und so weiter) konfrontiert, sind mal Opfer, mal Täter. Kinder, Frauen, Migranten, egal ob menschlich oder anders, gehören mit zu den schwächsten Gliedern der Gesellschaft.

Zephys Hollis, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, wurde zur Vampirjägerin ausgebildet und ist außerdem immun gegen den wandelnden Biss der Blutsauger. Aufgrund tragischer Erfahrungen hat sie jedoch die Defender verlassen und setzt sich nun für die Integration und Rechte der Anderen ein. Nicht alle von ihnen sind blutrünstige Mörder; viele haben Angehörige, die sie durchbringen müssen und für die sie sich notgedrungen auch auf illegale Dinge einlassen, wodurch sie erst mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Umgekehrt sind die Menschen nicht nur Beute, sondern greifen die Anderen aus Angst und Unverständnis grundlos an. Durch ihren Einsatz ist Zephyr bekannter, als ihr lieb ist, doch öffnen sich ihr dadurch Türen, die anderen verschlossen bleiben. Sie kennt die Spielregeln des Gebens und Nehmens, handelt mit Informationen und beruft sich auf Gefälligkeiten. Auf diese Weise gelingt es ihr, Stück für Stück mehrere Rätsel zu lösen, die alle miteinander zusammenhängen. Kleine Hinweise, die regelmäßig eigestreut werden, führen den aufmerksamen Leser auf die richtige Fährte. In kleinen und größeren Rollen sind weitere Personen involviert, die Zephyr helfen oder ihr Steine in den Weg legen. Immer wieder gerät sie in Gefahr, und zum Ende hin eskaliert die Situation. Sogar über den Showdown hinaus gibt es noch eine Überraschung, die zugleich die Weichen für den nächsten Band stellt.

Parallel zur spannenden, ironisch unterlegten Handlung entwickelt sich eine Romanze. Zephyr erweist sich als Kind ihrer Zeit: Einerseits ist sie in den viktorianischen Traditionen verwurzelt, die der Frau bestimmte Regeln auferlegen; andererseits sehnt sie sich nach der Gleichberechtigung und den neuen – auch sexuellen – Freiheiten, die sich ihre Geschlechtsgenossinnen langsam erkämpfen. In Konsequenz pendelt die Protagonistin zwischen alt her gebrachtem Denken, was man nicht tun sollte, und dem, was sie gern täte, so dass die prickelnde Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist.

„Moonshine“ ist ein spannender Mystery-Roman, dessen Reiz vor allem auf den stimmungsvollen Beschreibung des 20er Jahre-Milieus und der ‚etwas anderen‘ Vampire beruht. Auch die toughe, schlagfertige Heldin weiß zu überzeugen, und ein relativ unsterblicher Love-Interest, der nicht nach Blut verlangt oder haart, ist obendrein eine willkommene Abwechslung. Leserinnen ab 15 Jahre, die die phantastischen Genres mit und ohne einer Paranormal Romance schätzen, werden bestens unterhalten, und auch dem aufgeschlossenen (emanzipierten) männlichen Publikum dürfte es bei dieser Lektüre nicht langweilig werden.