Marianne Labisch & Gerd Scherm (Hrsg.): Die Residenz in den Highlands - Ein Roman in Episoden (Buch)

Marianne Labisch & Gerd Scherm (Hrsg.)
Die Residenz in den Highlands - Ein Roman in Episoden
Titelbild und Innenillustrationen: Gerd Scherm
p.machinery, 2021, Hardcover, 162 Seiten, 24,90 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen im äußersten Nordwesten Schottlands. Hier, nahe der kleinen, abgelegenen Ortschaft Shegra am Loch na Lerig liegt sie, die Residenz, ein Altersheim, eine Pflegeanstalt, ein Rückzugsort für ganz besondere Wesen.

Die Anstalt wird von dem Koryphäen Doktor Renato Lazarus und der Eigentümerin, Lady de Lily geleitet, letztere vor mehr als 2 Millennia Herbergsmutter in Nazareth und nicht willens, einem armen Paar ein Zimmer zur Verfügung zu stellen.

Elfen, Frankenstein, Killertomaten, ein Graf aus Rumänien, Todesfeen, Nachtmahre, der Butzemann, Hexen, Raumfahrer und Seemonster, ja der Tod höchstselbst sind hier gern gesehene Gäste - das heißt, selbstverständlich nur so lange, wie sie die monatlichen Gebühren für Kost und Logis zu berappen imstande sind.

Doch lesen Sie selbst über die zum Teil aberwitzigen Insassen des Heims - und wenn es Ihnen zu bunt wird, dann gehen sie einfach ins „Drunken Mermaid“, dem lokalen Pub und heben ein Guinness oder, so der Geldsack tief genug ist, bestellen sich einen Single Malt…


Die kleine, aber wohlfeile Reihe „Außer der Reihe“ präsentiert dem Leser besondere Bücher. Bücher, die sich nicht wirklich in ein Raster einfügen lassen, die man der Phantastik zurechnen kann, die dort dann aber gerne und oft Grenzen überschreiten oder ganz bewusst missachten.

Bücher, zumeist Anthologien, die aufwendig farbig illustriert und in einem quadratischen Format gedruckt auch haptisch etwas Besonderes sind. Fadenheftung, Lesebändchen, Zweispaltendruck, Kunstdruckpapier und die ganzseitigen Farbillustrationen verbinden sich mit den Texten zu einem einheitlichen Ganzen, das zu faszinieren weiß.

Dass man diese Themen-Anthologie aufgrund des gemeinsamen Handlungsortes, eben unserer Residenz, als einen Roman in Episoden bezeichnet, ist ein wenig irreführend. Die Texte spielen zwar alle in der Residenz, immer wieder tauchen deren Leiter und weitere dort Beschäftigte als weiteres verbindendes Glied auf, ein durchgängiger Roman wird aber nicht erzählt.

Stattdessen präsentieren die Verfasser ihre jeweiligen Geschichten um neue wie alte Insassen der Residenz, verblüffen mit ganz unterschiedlichen Gestalten, frischen Ansätzen und neuen Handlungsabläufen. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, neue Gäste vorzustellen. Dabei geht es so manches Mal gruselig und unheimlich zu, fürchtet man sich angesichts der Abgründe, die sich auftun und der Schicksalsschläge, derer man gewahr werden. Dann wieder beobachtet man, humorvoll schmunzelnd, emotionale Verwirrungen, Selbstüberschätzung und gar skurrile Situationen und absonderliche Wesen. Von der Anlage her erinnert das Buch ein klein wenig an die Anthologie „Das geheime Sanatorium“ erschienen im Plan9 Verlag, geht dann aber doch andere, melancholischere Wege.

Die die Handlung nicht nur unterstützenden, sondern sie ergänzenden Farbillustrationen machen den Band auch optisch zu einem Erlebnis.

So ist auch dies ein Band, der die Leser einen bunt geflochtenen Strauß an Geschichten offeriert, der spannend unterhält, dabei Grusel-Themen und Sagengestalten zuhauf auftreten lässt und oft ernst, manchmal auch humorvoll aber jederzeit spannend zu unterhalten weiß.