The Elder Scrolls 1: Die Höllenstadt, Greg Keyes (Buch)

The Elder Scrolls 1
Die Höllenstadt
Greg Keyes
(The Infernal City – An Elder Scrolls Novel)
Übersetzung: Andreas Kasprzak
Panini, 2010, Hardcover, 316 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-8332-2131-6

Von Frank Drehmel

Welcher alte Fantasy-Rollenspiel-Haudegen erinnert sich nicht an die an die „Elder Scrolls“-Anfänge Mitte der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts, als das 3D-Zeitalter der PC-RPGs noch jung war und man Schwierigkeiten hatte, Patches für die Bugs, die merkwürdigerweise das Erste sind, was ich mit „Elder Scrolls“ assoziiere, zu „organisieren“?

Seit damals ist viel Wasser die Elbe heruntergeflossen und der Fan kann mittlerweile auf vier Teile zuzüglich einer erklecklichen Anzahl von Addons voller nostalgischer Gefühle zurückblicken. Was bisher fehlte, was im Grunde aber niemand vermisste, waren Romane, die heutzutage jede ambitionierte Spielentwicklung und –veröffentlichung begleiten. Dennoch und trotz der Tatsache, dass die Zeichen der Zeit auf Massively Multiplayer Online Role-Playing Game oder – kurz – MMORPG stehen, hat sich der Entwickler der Spiele, Bethesda Softworks, vor etwas mehr als einem Jahr entschlossen, zwei Romane in Auftrag zu geben, deren erster nun auf Deutsch vorliegt.

Die junge Annaïg und ihren reptilienartigen argonischen Freund, Mere-Glim, erreicht die Nachricht einer schwebenden Stadt über dem Meer, als sie in Kleinmottien ihrem Tagewerk nachgehen, was in Fall des jungen Mädchens im Wesentlichen im Brauen mehr oder weniger funktionierender Zaubertränke sowie dem Beschaffen der Zutaten besteht. Gerade eingedenk der Tatsache, dass die Oblivion-Krise, in der sich das Kaiserreich einer außerdimensionalen Bedrohung gegenübersah, noch nicht in Vergessenheit geraten ist, dauert es nicht lange, bis sorgenvolle Nachrichten die Runde machen und erste Vorzeichen darauf hindeuten, dass den Ländern Tamriels durch diese Stadt neues Unglück droht. So entscheidet Annaïgs Vater, das Mädchen mit Gewalt auf ein Schiff zu verfrachten und zu sicher erscheinenden Gestaden zu schicken.

Mit Hilfe Glims entkommt jedoch Annaïgs der Sicherheit des Bootes, kehrt zurück und wird Zeuge, wie die fliegende Stadt ungeheure Zerstörungen anrichtet. In einem Augenblick voller Panik trinken die beiden Freunde einen der Tränke des Mädchens und finden sich unversehens auf dem Objekt wieder. Noch bevor sie sich mit den Eigentümlichkeiten und Besonderheiten der Stadt – Umbriel – vertraut machen können, geraten die beiden in Gefangenschaft und werden getrennt. Während der Unterwasseratmer Glim im Sumpf unterhalb der Stadt, in den unter anderem Leichen entsorgt werden, als Sklave allerlei Getier und Schätze bergen muss, landet Annaïg in einer bizarren Küche, in der eine Küchenmeisterin in einem gnadenlosen Wettstreit mit anderen Küchen um die Gunst des Stadtadels buhlt, wobei jede Küche nur einem Herren dient.

Dank ihres alchimistischen Wissens gelingt es dem Neuankömmling, nicht nur zu überleben, sondern den Ruf ihrer Küche so zu steigern, dass sie bei anderen Küchenmeistern Begehrlichkeiten weckt, welche schlussendlich in einem tödlichen Konflikt enden. Trotz des Sklavendienstes gelingt es Annaïg zudem zwischenzeitlich, auf magische Art und Weise Kontakt zu einem Menschen auf der Erdoberfläche Tamriels herzustellen, den sie für einen legendären Helden hält: Prinz Attrebus. Dieser Jungspund würde am Liebsten Hals über Kopf losstürzen, um sich mit einem Heer Umbriel entgegenzuwerfen. Bedauerlicherweise hat sein Vater, der Kaiser, etwas dagegen, sodass der Prinz heimlich, begleitet von nur einer kleinen Schar Kämpfer, in ein Abenteuer aufbricht, das für ihn zu einer bitteren Erfahrung wird. Zum einen lauert Verrat in den eigenen Reihen, zum anderen muss er erkennen, dass er nicht der Held ist, für den ihn alle Welt und er sich selbst hält, sondern nur ein verzogener Junge ohne jegliche Autorität und Kampferfahrung. Dennoch ist ihm das Glück hold, denn er macht in auswegloser Situation Bekanntschaft mit einen sinistren Magier namens Sul, der den Prinzen quasi unter seine Fittiche nimmt und mit ihm zusammen gen fliegender Stadt eilt, um den Herrscher Umbriels zu töten.

Wie schon der kürzlich bei Panini erschienene „Guild Wars“-Roman („Die Geister von Ascalon“) gehört auch „Die Höllenstadt“ in die Reihe erfreulich unterhaltsamer Game-Novelisationen. Obgleich die Geschichte relativ straff erzählt wird und sicherlich Raum für weitere originelle Nebenplots, Eindrücke und Ausblicke böte, ist das Fantasy-Setting an sich – und hier insbesondere die Gegebenheiten in der fliegenden Stadt, angefangen beim gesellschaftlichen Kontext mit seinen absurden Hierarchien über die seltsamen Küchen bis hin zu den bizarren Wesen – exotisch genug, um für „Elder Scrolls“-Spieler wie Einsteiger frisch und originell zu wirken. Für die Figuren gilt dasselbe: relativ knapp umrissen, aber dennoch eigenständig, interessant und stellenweise ungewöhnlich unheldenhaft. Zudem ist Greg Keyes’ Schreibstil nicht nur mainstreamhaft gefällig und dynamisch, sondern der Autor versteht es auch, die Exotik fühlbar zu machen.

Fazit: Eine erfreuliche Game-Novelisation. Zwar keine große Literatur, aber eine spannende, locker geschriebene Fantasy-Geschichte vor einem exotischen Hintergrund, die neugierig auf die Fortsetzung macht.