Bernd Perplies: Für die Krone – Magierdämmerung 1 (Buch)

Bernd Perplies
Für die Krone
Magierdämmerung 1
Titelillustration von Max Meinzold
Lyx, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 444 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8264-6

Carsten Kuhr

Wir schreiben den April des Jahres 1897. Während südlich der Azoren tief unter dem Meeresspiegel gar Merkwürdiges vorgeht, ahnt die Londoner Metropole noch nicht, dass sie kurz davor steht, zum Schauplatz eines blutigen Umsturzes zu werden.

Auf dem Heimweg von einem Auftritt wird ein scheinbar einfacher Bühnenzauberer verfolgt. Als Albert Dunholm bemerkt, dass er beschattet wird, will er die Sache kurz aber energisch aus der Welt schaffen. Im in der Nacht verlassenen Fleischermarkt von Smithfield kommt es kurz darauf zu einer folgenschweren Begegnung. Ein Aufeinandertreffen, das der Zauberer, von dem kaum einer ahnt, dass sich hinter seinem unscheinbaren Äußeren der Erste Lordmagier von London verbirgt, nicht überlebt. Sterbend in einer nahen Gasse zurückgelassen, gelingt es ihm nur noch, seine in einem Ring verborgenen magischen Kräfte einem unschuldigen Passanten zu übertragen, dann haucht er seinen Atem aus.

Jonathan Kentham, der Mann der den Sterbenden findet, ist als Reporter beim „Strand Magazine“ angestellt. Doch all seine Erfahrung als Sensationsreporter hat ihn nicht auf das vorbereitet, was die Zukunft für den noch so naiven jungen Mann bereithält. Zusammen mit dem hemdsärmeligen Kutscher der magischen Loge Englands und dem Enfant terrible der magischen Welt, einem gewissen Jupiter Holmes, macht er sich auf, das Rätsel um den Toten zu lösen – und wird dabei in eine Schlacht verwickelt, in der es um nichts weniger als die Zukunft der Erde geht ..

Währenddessen machen sich eine junge schottische Magiebegabte und ihr Großvater auf, in die Themse-Metropole zu reisen. Wie alle, die ein Gespür für die Magie haben, haben auch sie die Erschütterung des Fadengefechts, das alles Leben auf unserem Planeten miteinander verbindet, bemerkt. Ein seit Jahrtausenden fest geschlossenes Siegel wurde gesprengt – ein Siegel, das einst Atlantis den Untergang brachte, und dessen Öffnung nun Lord Wellington und seinen Getreuen die Weltherrschaft bringen soll – koste es, was es wolle...

Nach seiner gefeierten „Tarean“-Trilogie bricht Bernd Perplies zu neuen Ufern auf. Vorbei ist es mit der tolkienesquen Queste, jetzt wandelt der sympathische Filmkenner und Autor auf den magisch angereicherten Pfaden eines Jules Verne, Conan Doyles und H. G. Wells. Wie so viele Steampunk-Autoren auch siedelt er seine Handlung in London an und schöpft hier aus dem Vollen. Vorhang auf für gewollte Reminiszenzen aller Art – sei es das „Vorbild“ für Doyles Meisterdetektiv, die magische Bibliothek, lebendig werdende Steingreife und Löwen oder die Nautilus, an jeder Ecke findet der kundige Leser Hinweise und Hommagen an berühmte Romane und Filme.

Doch wer nun vermutet, dass es Perplies hier „nur“ um ein Wiedersehen mit liebgewonnenen Personen und Orten geht, der sieht sich glücklicherweise getäuscht. Immer wieder überrascht der Autor mit so nicht erwarteten Veränderungen, spielt geschickt mit der Erwartungshaltung seines Lesers und führt diesen so manches Mal zunächst auf die falsche Fährte. Versiert lässt er dabei Krimi-, Verschwörungs- und Detektivelemente in seinen Plot einfließen, präsentiert immer wieder eingängige Charaktere. Hier sind in erster Linie der burschikose, fast ein wenig mürrisch daherkommende Kutscher Randolph und der Magier-Dandy Holmes sowie dessen Geisterkatze Watson zu nennen. Während der Erstere statt Magie gerne auch einmal, und höchst wirksam, seine riesige Faust zur Lösung von Konflikten einsetzt, persifliert Holmes nicht nur die literarische Figur, die laut eigener Aussage von ihm abgekupfert wurde, sondern treibt Freunde wie Gegner und auch den Leser so manches Mal an den Rand der Verzweiflung. So unmöglich er sich auch aufführt, so unverzichtbar sind seine Gaben bei der Auflösung der Verbrechen und Rätsel.

Bernd Perplies hat seine Handlung auf eine breite Basis gestellt. In zunächst drei nicht miteinender verbundenen Handlungssträngen berichtet er nicht nur vom Bruch des Siegels, dem Auftauchen von Atlantis, den Morden in London, sondern auch von der Reise der jungen, magiebegabten Kendra durch ein von der Magie verändertem Land Richtung London. Ist der Perspektivenwechsel zu Beginn noch etwas verwirrend, bildet sich dann zunehmend das faszinierende Bild einer Welt heraus, in der, verborgen vor den meisten Augen, die Magier von Alters her ihren Platz einnehmen. Besonderes Augenmerk ist hier auf die Darstellung eben dieser Magie zu richten. Hier hat es der Autor geschafft, gänzlich eigene Wege zu beschreiten. Er schildert die Magie nicht etwa als diffuse Macht oder als Aura, sondern als farbenprächtige Fäden, die alles miteinander verbinden. Magische Kämpfe sind so farbenprächtige, plastische Auseinandersetzungen, die dem Leser sehr bildhaft vor Augen geführt werden. Überhaupt liest sich der stilistisch gegenüber den „Tarean“-Büchern deutlich gereifte Text sehr cineastisch – eine Verfilmung wäre problemlos und voller beeindruckender Spezialeffekte jederzeit vorstellbar.

Auch wenn das Ende offen bleibt ist zu resümieren, dass das Buch sehr lebendig, kurzweilig und spannend zu unterhalten weiß, sehr bildhaft erzählt und mit ungewöhnlichen Charakteren, aber auch einem sympathisch unwissenden, so manches Mal ein wenig naiv aber auch mutig daherkommenden Protagonisten, aufwarten kann.