Anna Stephens: Das Ende des Friedens - Wächter und Wölfe 1 (Buch)

Anna Stephens
Das Ende des Friedens
Wächter und Wölfe 1
(Godblind, 2017)
Übersetzung: Michaela Link
Blanvalet, 2018, 512 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-7341-6130-8 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Die Roten Götter und ihre Anhänger, die Mirak, wurden vor vielen Jahrhunderten zurückgedrängt, sodass die Bewohner von Rilpor, die die Götter des Lichts verehren, in Frieden leben konnten. Die Grenze wird vom Clan der Wächter und Wölfe vor Übergriffen geschützt. Keiner ahnt etwas von den Kriegsvorbereitungen der Mirak, obschon der Wolf Dom Visionen hat, die auf drohendes Unheil hindeuten.

Erst die entflohene Sklavin Rillirin, die, wie Dom sieht, in den bevorstehenden Ereignissen eine wichtige Rolle spielen soll, konkretisiert mit ihrer Warnung die Befürchtungen - jedoch zu spät, denn das Lager der Wölfe wird überfallen. Jene, denen die Flucht gelingt, ziehen sich in ein anderes Versteck zurück, und es wird versucht, dem König von Rilpor eine Botschaft zukommen zu lassen.

Dieser hat vor lauter Trauer um seine verstorbene Frau keinerlei Interesse mehr, das Land zu regieren, und ist bereit, den Thron seinem ältesten Sohn zu überlassen. Allerdings wird Janis ermordet, und der Verräter ist ausgerechnet sein Bruder Rivil, der sich mit den Mirak und ihren Göttern verbündet hat und ihnen seine Heimat ausliefern will, um selbst den Thron zu besteigen. Der Offizier Crys, der Zeuge des Mordes wurde und dem Feind entkommen konnte, ist bereit, unter Einsatz seines Lebens dem König die bittere Wahrheit mitzuteilen.


Man hat den Eindruck, als versuche Anna Stephens mit ihrem Debüt-Roman in die Fußstapfen von George R. R. Martin und seiner populären Serie „Game of Thrones“ zu treten. Analog gibt es antagonistische Kräfte, die friedlichen oder blutrünstigen Göttern huldigen, erobern oder verteidigen wollen. An verschiedenen Schauplätzen agiert eine Vielzahl von Protagonisten, und sowohl die ‚Guten‘ als auch die ‚Bösen‘ schildern aus ihrer Perspektive die Geschehnisse. Es wird viel gekämpft, gefoltert und gestorben.

Nun mag man von „Game of Thrones“ schon Einiges gewohnt sein, doch kann man diese Reihe noch der High Fantasy zuordnen, da die Grausamkeiten den Eindruck erwecken, dass sie nicht dem Selbstzweck dienen, sondern dem logischen Handeln der jeweiligen Charaktere entsprechen. Hingegen den ersten Band von „Wächter und Wölfe“,  „Das Ende des Friedens“, sortiert man lieber unter Dark Fantasy, ja, Horror und Splatter ein, denn die grafischen Schilderungen von zum Beispiel der Folter, die Janis erleiden muss, tragen nichts zur Spannung bei, verdeutlichen auch nicht, dass die Mirak und ihre Roten Götter grausam sind - das weiß man bereits -, und so wirkt das Ganze bloß unnötig übertrieben und abstoßend.

Überhaupt sind die Figuren nicht wirklich sympathisch, und es dauert eine Weile, bis der Leser anfängt, eine distanzierte Beziehung zu einigen der ‚Guten‘ aufzubauen. Das liegt teils daran, dass auch zu Beginn sehr viel zwischen den Orten und den jeweiligen Akteuren hin und her gesprungen wird, was es erschwert herauszufinden, wie diese Protagonisten einzuschätzen sind. Strahlende Helden sind sie ohnehin nicht, da auch sie über negative Eigenschaften oder dunkle Geheimnisse verfügen. Da hat man es mit den ‚Bösen‘ leichter, denn sie sind… böse. Auch darüberhinaus sind die Protagonisten schmutzig, ihre Sprache ist derb, und es werden Dinge ganz realistisch beschrieben, die mancher so detailliert gar nicht lesen mag.

Das entspricht offenbar dem heutigen Zeitgeist. Die harmlosen ‚Alles wird gut‘-Romane sind out; um die Klientel zu locken, muss es heftig zugehen - andernfalls hätten Formate wie „Big Brother“, „Dschungelcamp“ und wie sie alle heißen nicht so viele Zuschauer, würde es auch im „Tatort“, im zuletzt viel kritisierten KiKA und so weiter verbal und grafisch weniger vulgär und schockierend zugehen, vom Buchsektor ganz zu schweigen, der im Krimi-Hardcore- und Splatter-Bereich ebenfalls kein Blatt mehr ‚vor den Mund‘ nimmt (wie war das früher in den USA, als in Interviews Schimpfworte ‚ausgebeept‘ wurden?).

Wie gesagt, Manches trägt zu mehr Realismus in der sogenannten Flucht-Literatur bei, zu der die Phantastik natürlich zählt. Andererseits empfindet man es als enttäuschend, wenn auf solche Mittel zurückgegriffen werden muss, um Interesse zu erwecken, weil Autoren und Verlage glauben, dass es nicht mehr genügt, allein durch eine spannende Handlung, interessante Charaktere, innere Konflikte und eine niveauvolle Sprache zu überzeugen (klar, die zum Beispiel geschniegelten, eloquenten Cowboys von „Bonanza“ und der „Shiloh Ranch“ waren idealisiert, trotzdem schaute man sie gern und vielleicht sogar lieber an als die ungepflegten Anti-Helden der Italo-Western).

In Konsequenz hinterlässt der Titel einen zwiespältigen, eher skeptischen Eindruck. Mag man Fantasy im Stil von Tolkiens „Der Herr der Ringe“, Brooks‘ „Die Shannara-Chroniken“, Moorcocks „Elric von Melniboné“, Howards „Conan“ oder gar Lees „Anackire“-Zyklus, wird man mit diesem Buch nicht glücklich. Ist man hingegen ein Fan von Martins „Game of Thrones“, Kearneys „Die Königreiche Gottes“, von very Dark Fantasy und Splatter, wird man dem Titel vielleicht eine Chance geben wollen.

Man kann keine wirkliche Empfehlung aussprechen, da nicht absehbar ist, wie sich die Reihe entwickeln wird, ob sie so brutal bleibt oder irgendwann positive im Sinn von gemäßigten Entwicklungen bringt. Aber was gefällt, ist bekanntlich Geschmackssache.