John Gwynne: Bosheit - Die Getreuen und die Gefallenen 2 (Buch)

John Gwynne
Bosheit
Die Getreuen und die Gefallenen 2
(Valour - The Faithful and the Fallen 2, 2014)
Übersetzung: Wolfgang Thon
Blanvalet, 2017, Paperback, 832 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-7341- 6120-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Der böse Gott Asroth drängt darauf, in die Verfemten Lande zurückzukehren und sein finsteres Reich zu errichten, während sein Kontrahent Elyon untätig bleibt. Beide haben einen jungen Krieger zu ihrem Champion gewählt, aber es sieht ganz so aus, als wäre König Nathair, der sich für „das strahlende Licht“ hält in Wirklichkeit „die dunkle Sonne“, als die der Sohn eines Schmieds, Corban, bezeichnet wird. Nathair will den Gegner töten, aber sein Ratgeber empfiehlt ihm, magische Artefakte in seinen Besitz zu bringen, die ihn mit großer Macht ausstatten.

Allein diesem Umstand hat es Corban zu verdanken, dass er mit seinen Kameraden durch die Lücken im Heer der Angreifer schlüpfen kann, als er das scheinbar sichere Domhain verlässt, um seine Schwester Cywen zu befreien, die Nathair an seiner Seite behält als Köder. In Veradis, Nathairs erstem Schwert, und Alcyon, einem Giganten, findet das Mädchen aufrichtige Beschützer, die allmählich zu zweifeln beginnen oder sogar wissen, dass sie etwas Falsches tun.

Während Corban nach Cywen sucht, wird Domhain von den Truppen Königin Rhins eingenommen, die sich zu Nathair bekannt hat - und eine Vasallin von Asroth ist. Edana, die flüchtige Königin von Ardan, muss ihre Zuflucht verlassen, um nicht in die Hände der Feinde zu fallen. Immerhin gelingt es ihr, Corban eine Nachricht zukommen zu lassen. Doch die kleine Gruppe, die das Massaker in Dun Carreg überlebt hat, muss weitere Kameraden opfern.


Nachdem es im ersten Band, „Macht“, zunächst so aussah, als wäre Nathair Elyons erwählter Krieger, sorgte sein Handeln dafür, dass man an der angeblichen Rolle des Kämpfers für das Gute zu zweifeln begann. Unterstützt wurde das durch die Visionen von Corban, die zwar weniger eindeutig waren, doch ging von ihm nie das Bedürfnis nach Macht aus, im Gegenteil, er wollte nicht einmal auf seine Mutter und seinen Mentor hören, die ihn behutsam darauf vorzubereiten versuchten, dass er Elyons wahrer Champion sei. Tatsächlich interessierte Corban lange nur eines: sich und seine Freunde am Leben zu erhalten und an den Mördern Rache zu nehmen.

Im zweiten Buch, „Bosheit“, passiert erneut eine ganze Menge. Totgeglaubte leben noch, Freunde erweisen sich als Feinde und umgekehrt, Corban sieht sich letztendlich gezwungen zu akzeptieren, dass die Anhänger von Elyon ihm folgen wollen, derweil Nathair weiterhin unter dem Einfluss des Bösen steht und die Realität nicht mehr erkennt. Noch sind fast alle seiner Gefolgsleute geblendet, und die Einzelnen, die zu ahnen beginnen, dass etwas nicht stimmt, haben entweder keine Chance aufzubegehren oder werden entmachtet beziehungsweise umgebracht.

Die Charaktere, mit denen man bereits vertraut ist, haben mehr oder minder große Handlungsanteile. Manche sterben, andere überleben trotz widrigster Umstände. Die herrschende Brutalität, die keinen Halt vor Frauen und Kindern zulässt, der auch Sympathieträger regelmäßig zum Opfer fallen, ist vergleichbar der in „Game of Thrones“. Auch die Vielzahl der Protagonisten, die wechselnden Schauplätze und Perspektiven sind eine Gemeinsamkeit. Der Leserkreis, den „Die Getreuen und die Gefallenen“ entsprechen, ist derselbe, der auch „Das Lied von Eis und Feuer“ beziehungsweise vergleichbare Fantasy-Serien („Das Lied des Windes“, „Weitseher-Chroniken“, „Shannara“ etc.) schätzt.

Gelungen ist auf jeden Fall die Charakterisierung der Figuren. Zwar mögen sich die ‚Guten‘ und die ‚Bösen‘ trotz aller Individualisierungsbestrebungen in gewisser Weise ähneln, aber im vorliegenden zweiten Teil schafft es John Gwynne sehr viel besser, die Eigenarten des Einzelnen hervorzuheben. Freilich liegt das daran, dass ähnlich angelegte Protagonisten umgekommen sind, doch gibt es auch Weiterentwicklungen, dank derer die Handlungsträger einmalig erscheinen.

In diesem Zusammenhang gefallen vor allem die Giganten, die zunächst als tumbe Menschenfeinde auftraten, davon träumten, ihre ursprüngliche Vormachtstellung wieder einzunehmen, und in Konsequenz auch zu Verrat bereit waren. Alcyon erweist sich beispielsweise als auf seine Weise ehrbar und zerrissen, doch erfährt man nicht, weshalb er sich von Asroth missbrauchen lässt. Hingegen die Benothi, die auf Elyons Seite stehen, haben Feinde in den eigenen Reihen und wissen trotz aller Tragödie am Ende zu überraschen.

Die Ereignisse entwickeln sich im Großen und Ganzen so, wie man annehmen durfte, aber es gibt auch einige Neuerungen, aufgrund derer die Karten für den nächsten Band, „Jahzorn“, neu gemischt werden. Das macht natürlich neugierig auf das Kommende, denn längst nimmt man Anteil am Schicksal der Charaktere, sei es Corban, der die Rolle akzeptieren muss, die ihm angetragen wird, oder der alternde Maquin, der den Tod seines Freundes und Herrn Kastell rächen will, sei es Veradis, der hin und wieder Zweifel verspürt und Cywen mag, doch noch an seiner Treue zu Nathair festhält, oder Camlin, ein Verbrecher, der seine Chance nutzte, die Seiten zu wechseln und sich Edana anzuschließen - um nur ein paar Beispiele zu nennen, Und es gibt durchaus starke Frauen, wodurch die matriarchalischen Kriegsbeschreibungen, die schon etwas ermüden, für Leserinnen auch etwas zu bieten haben.

Es gibt einige romantische Momente, doch bleiben sie angedeutet, da die Protagonisten teilweise noch sehr jung und unerfahren sind oder aufgrund der Situation keinen Gedanken an eine Beziehung verschwenden. Dies gilt teilweise auch für die reiferen Charaktere, aber gerade die ‚Bösen‘ missbrauchen Gefühle oder nutzen den Sex, um ihre Ziele zu erreichen beziehungsweise vergewaltigen ihre hilflosen Opfer. Hier wird ebenso wenig geschönt wie bei den Beschreibungen der Kriegsgräuel.

John Gwynne schreibt sehr realistisch und bemüht sich, in die Fußstapfen von George R. R. Martin zu treten. Seine Charaktere sind interessant und eigenständig genug, dass man Parallelen ausklammern kann. Die Handlung ist dramatisch und packend. Es kann sein, dass man die Bücher weniger zügig liest als ‚gefälliger‘ geschriebene Fantasy, denn die Metzeleien setzen einem schon zu, aber man kommt von den Romanen nicht los und will wissen, wie es weitergeht.