Die neuen X-Men 4 (Comic)

Yves Bigerel, Sina Grace, Rex Ogle, Dennis Hopeless
Die neuen X-Men 4
(All New X-Men (2016) 17-19 + Annual 1 (I) + A Year of Marvels: The Incredible 1 (I), 2016/2017)
Übersetzung: Jürgen Petz
Titelbild: Mark Bagley
Zeichnungen: Mark Bagley, Yves Bigerel, Paco Diaz u.a.
Panini, 2017, Paperback, 108 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-7416-0374-7

Rezension von Irene Salzmann

Nach seinem Coming-out hat sich Iceman alias Bobby Drake glücklich verliebt in Romeo, einen Inhuman. Ein Schatten fällt jedoch über ihre Beziehung, als die X-Men und die mit ihnen verbündeten Mutanten beschließen, den letzten Terrigen-Nebel, der begonnen hat, sich in der Atmosphäre aufzulösen, zu vernichten. Wird dieser Prozess nicht aufgehalten, werden alle Mutanten sterben, da die Erde für sie nicht länger bewohnbar ist.

Umgekehrt erachten die Inhumans die Gaswolken als heilig, denn ihnen verdanken sie ihre besonderen Fähigkeiten, sodass für sie die Zerstörung der Nebel völlig ausgeschlossen ist. Iceman hält dieses Vorgehen genauso wie einige seiner Kameraden nicht für richtig, aber es geht um das Überleben der Mutanten. Nur was wird dann aus seiner Liebe zu Romeo? Iceman muss eine schwere Entscheidung treffen.

Einer von zwei Terrigen-Nebel wurde von Cyclops alias Scott Summers zerstört, bevor er selbst an den Folgen der tödlichen Substanz starb. Sein junges Alter Ego aus der Vergangenheit hadert damit, dass man ihn für die Taten seines späteren Ichs verantwortlich macht und hasst, obwohl er aufgrund seines Wissens bezweifelt, dass er ebenso handeln würde beziehungsweise wird, falls er in seine Zeit zurückkehrt.

Als sich der Inhuman Mosaic Cyclops Körper ausleiht, ist der junge Mutant in verwirrenden Erinnerungen gefangen, darunter denen von Magneto alias Erik Lensherr, der Mosaik abzuwehren vermochte. Dennoch blieb etwas von Magnetos Wissen zurück, und was Cyclops nun erfährt, verändert Vieles.

Der Konflikt mit den Inhumans konnte bereinigt werden. Das junge Original-X-Men-Team und seine neuen Mitglieder möchten sich eine Auszeit gönnen. Diese Gelegenheit nutzt Beast alias Hank McCoy, um seinen Freunden zu zeigen, dass er mit Hilfe von Magie durch die Zeit reisen kann, sogar in ihre ursprüngliche Zeit. Allerdings hat die Sache einen Haken, und welchen Preis Beast dafür zahlen muss, bleibt abzuwarten.

Oya alias Idie Okonkwo lernt zufällig den jungen Ronnie kennen und lässt sich auf ein Date ein - zum ersten Mal. Leider werden sie zu Zielscheiben von Rassisten, vor allem als sich beide als Mutanten outen. Wacker verteidigt Oya ihren neuen Freund, aber es kommt noch schlimmer, denn Ronnie leidet unter den Auswirkungen des Terrigen-Nebels.


Während diese Geschichten als eine Art Tie-in in den „Inhumans vs. X-Men“-Mini-Zyklus betrachtet werden können, der die Handlung nicht wirklich beeinflusst sondern Einzelschicksale beleuchtet, schert die kurze „A Year of Marvels“-Episode aus dem Thema und vor allem dem „X-Men“-Reigen aus, da ein junger Mann in den Mittelpunkt gerückt wird, der ständig Pech hat, bedingt durch das helfende Eingreifen von Superhelden, die aber nie zur Stelle sind, wenn er sich in Gefahr befindet. Dementsprechend hat er sie alle ‚gefressen‘, und…

…mehr möchte man nicht verraten. Es ist eine kleine, zunächst stark unterschätzte Story, die aus der Sicht eines Kollateralschadens geschildert wird, denn ‚der kleine Mann‘ bleibt im ‚großen Ganzen‘ meist anonym und wird vergessen. Klar, der Tod einer Person mit Namen, an deren Leben man kurz teilhaben durfte, nimmt den Leser - und den Mensch in der Realität - stärker mit als der Massenmord an einer gesichtslosen Menge.
Die Geschichte ist leicht überzeichnet im Manga-Stil.

Der Hauptteil des Comics ist natürlich den „Neuen X-Men“ gewidmet, die auf den vorliegenden Seiten ihre letzten Abenteuer unter diesem Titel erleben, bevor es als „X-Men: Blue“ weitergeht mit neuen Autoren und Zeichnern. Der Titel ist eine Hommage an die Bestseller-Zeit der „X-Men“-Titel um 1990, als das Team aus vielen aktiven und bei den Lesern sehr beliebten Mitgliedern bestand, sodass zwei Gruppen, Team Blue und Team Gold (die originalen Kostümfarbe!), etabliert wurden. Und ja, eine neue „Team Gold“-Serie wird es ebenfalls geben.

Auf diesen Seiten erfährt der Leser, welche Auswirkungen der Kampf gegen die Inhumans um das Überleben der Mutanten für die jungen X-Men hat. Gleichzeitig machen sie einige überraschende Entdeckungen und müssen feststellen, dass sie wohl für immer ein Bestandteil dieser für sie in der Zukunft liegenden Welt sind - und als modernisiertes Team zeitgenössische Abenteuer erleben werden, in die alte Widersacher involviert werden sollen. In gewisser Weise war das notwendig, um das originale Team wieder zu vereinen, wollte man nicht erneut ein wenig glaubwürdiges Comeback von (den älteren) Toten (Marvel Girl, Cyclops) inszenieren. Prompt fragt man sich, ob und wann Iceman, Angel und Beast ebenfalls ihren jungen Alter Egos Platz machen müssen…

Vordergründig sind die X-Men in Kämpfe involviert, die über die Zukunft der Mutanten, das Andenken von Cyclops, das weitere Vorgehen des Original-Teams (ohne die Neuzugänge) entscheiden. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf den persönlichen Beziehungen, die das Handeln aller nachhaltig beeinflussen, weniger in Bezug auf den Ausgang der Konflikte als auf das eigene Wohl und Wehe beziehungsweise dem von besonders wichtigen Personen. Dieser Aspekt wurde zuletzt immer wieder vernachlässigt, weil zu viel auf dem Spiel stand. Nach Beendigung der Auseinandersetzung mit den Inhumans wird es gewiss nicht bloß neue Gegner sondern auch frische Partnerschaften geben.

Die Zeichnungen sind durchweg ansprechend. Es fällt auf, dass die Künstler das Alter der jugendlichen Protagonisten berücksichtigt und sie weniger muskulös sondern mehr sehnig (Spider-Man) angelegt haben. Beispielsweise ist der junge Iceman deutlich zierlicher als der erwachsene, und auch die Teenie-Girls wie Oya haben weniger ausgeprägte Rundungen als unter anderem Storm. Das wirkt realistisch und dürfte auch bei der Zielgruppe gut ankommen, zumal sich die jungen Helden mit ihren altersgerechten Kümmernissen als Identifikationsfiguren besser anbieten als die Erwachsen, welche eher die ‚Zeitgenossen‘ von Eltern und Großeltern sind.

Vorkenntnisse sind immer empfehlenswert, seien es die „Neuen X-Men“- oder die „Inhumans vs. X-Men“-Hefte, aber dieser Abschlussband macht es auch Gelegenheitslesern und Quereinsteigern leicht, da sich das Wesentliche der Handlung entnehmen lässt und der Fokus auf das Persönliche gerichtet ist. Es bleiben keine dringlichen Fragen offen, sodass die Serie rund endet… und neugierig auf das Kommende macht.