Karl-Ulrich Burgdorf: Der Schäms-Scheuß-Virus und andere unheimliche Geschichten (Buch)

Karl-Ulrich Burgdorf
Der Schäms-Scheuß-Virus und andere unheimliche Geschichten
Titelbild: Rainer Schorm
2016, Hardcover, 224 Seiten, 20,90 EUR, ISBN 978-3-95627-515-9 (auch als Paperback erhältlich, 14,99 EUR, ISBN 978-3-95627-514-2)

Rezension von Armin Möhle

„Der Schäms-Scheuß-Virus“ enthält 30, zum Teil noch unveröffentlichte Kurzgeschichten, die Karl-Ulrich Burgdorf seit seinem Comeback 2013 - d. h., der Wiederaufnahme seiner schriftstellerischen Tätigkeit nach 15 Jahren - verfasste, von zwei Ausnahmen abgesehen. In den 70er Jahren (des letzten Jahrhunderts) veröffentlichte er zwei Romane, in den 80ern und 90ern arbeitete er mit Wolfgang Hohlbein zusammen und war als Übersetzer tätig (unter anderem stammen die Übersetzungen von Philip K. Dicks Romanen „Der dunkle Schirm“, „Der heimliche Rebell“ und „Der unteleportierte Mann“ von ihm).

 

Der Band beginnt stimmungsvoll mit „Der Hut“, der für den Erfolg eines Rockstars verantwortlich zeichnet, auch über seinen Tod hinaus. Den Tod berührt auch „Ninny“, zum Schluss natürlich erst, als ein dreizehnjähriger Junge feststellt, was er auf seinem Teller hat… Aber das ist noch nicht der endgültige Schluss der Story. Eher eine Horror- als eine Phantastik-Story ist „Abattoir“, in der eine Familie in das gleichnamige Museum gerät, in dem ein Splatter-Film abläuft - mit den Besuchern mittendrin. Dumm ist nur, dass der Sohn die DVD nicht komplett gesehen hat… Subtiler kommt „Die Haut“ daher, die sich um den Tod eines Mädchens, um Manipulation, um Täuschung und zuletzt um Ignoranz dreht. „Die Kutschfahrt nach Angelmodde“, die Goethe unternimmt und die ihn beinahe nicht an das richtige Ziel bringt, ist atmosphärisch dicht.

Diesen längeren Beiträgen stehen die ungleich kürzeren Beiträge gegenüber, die Karl-Ulrich Burgdorf für die „Phantastische Miniaturen“-Reihe der Phantastischen Bibliothek schrieb. Die Kenntnis der Themenvorgaben für die diversen „Miniaturen“-Ausgaben ist für ihr Verständnis nicht erforderlich. Das Highlight unter ihnen ist die pointierte „Plaudertasche“, die in der 11. „Miniaturen“-Ausgabe noch in gekürzter Form erschien. Aber auch ironische Storys wie „Im Auge des Betrachters“, „Liebesdienst“, „Ineffizient“, „Der Architekt“ und „Walpurgis-Rave“ bringen ihre Plots knapp und einprägsam auf den Punkt.

Zu den längeren Texten gehören auch die bereits in den 80er Jahren veröffentlichen Storys. „Der Mann, dessen Gesicht in Fetzen ging“ ist natürlich ein Außerirdischer, der in den Gangsterkreisen New Yorks (in den 20er Jahren?) mitmischt. Der Foto-Reporter Pete Wolf meint, damit auf die Story seines Lebens gestoßen zu sein, doch er muss eine Enttäuschung nach der anderen hinnehmen. Die Kurzgeschichte ist flott erzählt und wie eine typische Kriminalstory verfasst. „Das Prinzip der Gerechtigkeit“ hat einen ernsthafteren Anstrich, greift die Hexenverfolgung auf, bringt Fantasy-Elemente hinein und stellt die Frage nach dem Unterschied zwischen Gerechtigkeit mit oder ohne Gnade - eine Frage, die nicht nur in der Vergangenheit und in einer Fantasy-Welt aktuell war und ist.


Karl-Ulrich Burgdorf zeigt in „Der Schäms-Scheuß-Virus“ sowohl ein breites Repertoire quer durch die phantastischen (Sub-) Genres als auch die Beherrschung der kurzen und der längeren Formen des Erzählens in Kurzgeschichten. Die Storys sind inhaltlich allemal dichter und komprimierter als ungleich dickere Romane. Die Kurzgeschichten des Autors sind sicherlich schneller gelesen als ein mehrhundertseitiger Wälzer, aber ihr Unterhaltungswert, ihre Originalität und ihr Anspruch sind deutlich höher.

Die in „Der Schäms-Scheuß-Virus“ zusammen gefassten Texte sind ein eindrucksvolles Beispiel für die Vorzüge der Kurzgeschichte.