William Hope Hodgson: Carnacki, der Geisterdetektiv (Buch)

William Hope Hodgson
Carnacki, der Geisterdetektiv
(Carnacki, the Ghost-Finder)
Übersetzung: Jürgen Martin
Festa, 2017, Hardcover,  336 Seiten, 28,00 EUR, ISBN 978-3-86552-435-5 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Wir meinen sie alle zu kennen, die Meisterdetektive unserer Zeit. Angefangen vom unbestrittenen Primus Sherlock Holmes über Hercule Poirot bis hin zu Miss Marple reicht die Reihe, die modernen Abkömmlinge lassen wir mal kurz aus dem Bild. Anno 1908 aber wandet sich der 1877 in Essex geborene Hodgson dem Sujet des Detektivromans auf sehr eigene, ungewöhnliche Art und Weise zu.

Bei uns ist Hodgson vornehmlich durch seine beiden gefeierten Werke, den umfangreichen Roman „Das Nachtland“ und die Novelle „Das Haus an der Grenze“ bekannt, seine phantastisch angehauchten Seefahrergeschichten erschienen in Insel Verlag sowie in der Reihe „Kabinett der Phantasten“ des JMB Verlages.

Nun also legt Frank Festa, versierter Kenner der Materie, in einer wunderschön aufgemachten Ausgabe mit einem phantastisch-kongenialen Titelbild die Carnacki-Geschichten als Prachtausgabe auf. Zuerst im Magazin „The Idler“ veröffentlicht, verfasste Hodgson neun Geschichten um einen parapsychologischen Amateurdetektiv, der, innerlich immer der Skeptiker, Erscheinungen untersucht. In gemütlicher Runde, nach einem fulminanten Mahl im Kreise seiner Freunde, erzählt er in dem luxuriösen Ambiente seines sicheren Heims in Chelsea von seinen Abenteuern.

Carnacki selbst wird dabei als intelligenter, immer am Übernatürlichen zweifelnder rastloser Forscher beschrieben, der mit großem Einsatz die heimgesuchten Orte, zu denen er gerufen wird, untersucht. Geschützt sowohl durch archaische Beschwörungsriten als auch durch ein elektrisches, bläulich leuchtendes Pentagramm, versucht er den okkulten Phänomenen auf die Spur zu kommen und eine Scharlaterie auszuschließen.


Zwei der Geschichten ragen dabei aus dem Reigen der Storys heraus.


Wie gewohnt wird unser Ermittler auch in „Das Pfeifende Zimmer“ zum Ort einer Heimsuchung gerufen. Ein Zimmer, aus dem man in der Nacht ein durchdringendes Pfeifen vernimmt, weckt seinen Forschungsdrang. Zunächst versucht er, dem Phänomen mittels Logik auf die Spur zu kommen, muss dann aber einsehen, dass all seine Untersuchungen zu keinem wissenschaftlichen Ergebnis führen. Erst spät, fast schon durch Zufall, wird er Zeuge, was das Pfeifen auslöst - und muss erkennen, dass es, um mit Shakespeare zu sprechen, mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als gemeinhin angenommen.

In „Der Schweinefürst“ bittet ihn ein Geplagter um Hilfe. Immer wenn der Heimgesuchte einschläft, findet er sich in seinen Träumen in Gestalt eines Schweins in der Unterwelt wieder und wird von den dämonischen Mächten, die über ihn einen Weg ins unsere Dimension suchen, heimgesucht. Dieses Mal verdankt Carnacki seine Rettung nur dem Eingreifen einer höheren, der menschlichen Seele zugetanen Macht.


Der Verlag hat dem Band zwei Artikel, die die Carnacki-Geschichten literarisch einschätzen, beigegeben. Sowohl H. P. Lovecraft in „Das unheimliche Werk von Hodgson“ als auch Mark Valentine in „Gegen den Abgrund: Carnacki the Ghost-Finder“ kommen dabei zutreffend zu dem Schluss, dass die Erzählungen rund um den Geisterdetektiv zwar bei weitem nicht an Hodgsons gepriesenen Roman und die oben genannte Novelle herankommen, jedoch durchaus spannend und atmosphärisch dicht zu unterhalten wissen.

Ich persönlich gehe darüber hinaus, unterstreicht doch gerade der Skeptizismus Carnackis gegenüber dem Übernatürlichen die Bedrohung, wenn unser Geisterdetektiv dann wirklich auf okkulte Phänomene trifft. Dabei bieten die Geschichten, obzwar von der Grundanlage her immer ähnlich startend, jede Menge Abwechslung, und lesen sich auch heute, weit über 100 Jahre nach ihrer Entstehung, faszinierend und gruselig. Ein rundum gelungener Band also.