Axel Kruse: Luna incognita (Buch)

Axel Kruse
Luna incognita
Titelbild: Lothar Bauer
Atlantis, 2017, Paperback, 156 Seiten, 11,90 EUR, ISBN 978-3-86402-483-2 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)

Rezension von Jan Niklas Meier

1883 erschien die englische Originalausgabe der „Schatzinsel“. Bis heute hat Stevensons Meisterwerk zahlreiche Adaptionen erfahren; seit kurzer Zeit etwa befahren seine Piraten auch die Gewässer des Quality TV – „Black Sails“ berichtet in Prequel-Form von den Geschicken der „Walrus“. Axel Kruse hat nun das wohlbekannte Abenteuer um Jim Hawkins und Long John Silver in die Science Fiction verfrachtet. Und das gelingt ihm wirklich gut. Stevensons Figuren fügen sich erstaunlich passend in eine vom Krieg verrohte zukünftige Gesellschaft.

 

Jim Hawkins betreibt zusammen mit seiner Mutter ein Gasthaus, natürlich den „Benbow“. Bekanntermaßen wird der junge Mann jäh aus seinem eintönigen Alltag gerissen, als der Pirat Billy Bones bei ihm Quartier nimmt. Der hat nämlich die Schatzkarte Kapitän Flints dabei, und ist fest entschlossen, die sagenhaften Reichtümer zu bergen. Dummerweise ist ihm der Rest der Crew der „Walrus“ aus den Fersen - dass die hieraus resultierende Begegnung nicht gut für den alten Seemann verläuft, wissen wir.


Kruse hält sich dicht an seine Vorlage, was aber an keiner Stelle als störend empfunden wird. Vielmehr macht die seltsame Mischung daraus, einerseits zu wissen, was kommt, sich andererseits aber zu fragen, wie die nächste Szene in neuem Gewand daherkommen mag, einen guten Teil des Lesevergnügens aus.

Hauptsächlich bleibt aber auch eine Weltraum-Adaption der „Schatzinsel“ ein Abenteuer-Roman, Hard-Science-Fiction-Fans werden daher wahrscheinlich eher weniger auf ihre Kosten kommen. Insbesondere mit seinem Protagonisten hat Kruse seinem Buch weiterhin eine deutlich sozialkritische Lesart eingeschrieben. Jim fühlt sich in der Ideologie der Verlierer sehr wohl - die Menschen haben Jahre vor Einsetzen der Handlung einen Krieg gegen einen außerirdischen Feind verloren. Für den jungen Mann sind die Aliens die Bösen. Dass er noch nie einem solchen Wesen gegenüberstand, ändert nichts an dieser einfachen Formel. Erst im Verlauf seines Abenteuers ändert er seine Meinung, wenn klar wird, dass keinesfalls jeder Außerirdische ihm feindlich gesinnt ist. Vielmehr sind es doch die Menschen, jene angeblich moralisch so überlegene Rasse, welche oftmals allein triebgesteuert agieren: Die Piraten gieren nach Flints Gold, sie gehen über Leichen, haben kein Gewissen. Allein der Drang nach persönlicher Bereicherung treibt die Männer und Frauen an.

„Luna Incognita“ ist eine sehr gelungene Adaption der „Schatzinsel“. Kruse versteht es, das große Vorbild zu ehren, dabei aber doch eine eigene Note in die Story einzubringen. Allenfalls eine ziemlich konstruiert wirkende und etwas plump eingeführte Liebesgeschichte trübt den überaus positiven Gesamteindruck ein wenig. Letzten Endes entpuppt sich jene zwar doch noch als wichtig für die Geschichte, etwas mehr Fingerspitzengefühl bei ihrem Aufbau wäre aber sicher nicht falsch gewesen.