Genevieve Cogman: Die flammende Welt (Buch)

Genevieve Cogman
Die flammende Welt
Die Bibliothekare 3
(The Burning Page)
Übersetzung: André Taggeselle
Bastei Lübbe, 2017, Paperback mit Klappenbroschur, 444 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-404-20844-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Irene Winters ist Bibliothekarin. Stopp! Jetzt denken Sie an eine graue Maus mit großer Brille, die durch verstaubte Korridore schleicht und außer ihrer Katze und Gesundheitstee nur Bücher liebt. Da sind Sie aber total auf dem falschen Dampfer. Irene Winters ist nämlich Bibliothekarin einer ganz besonderen Bibliothek, einer Bibliothek, die ihren Angestellten, so sie denn ihre Einsätze überleben, Unsterblichkeit verspricht und das Kennenlernen vieler unterschiedlicher Welten. Bedrängt von Drachen und Elfen versuchen die Agenten, bedrohte Unikate seltener Bücher zu retten und in der Bibliothek in Sicherheit zu bringen.

Irene, um auf unsere gar nicht graue Maus zurückzukommen, ist zwar noch jung an Jahren im Einsatz, dafür aber hat sie schon jede Menge erlebt. Als Tochter eines Paares von Bibliothekaren wuchs sie mit der Liebe zu Büchern und fremden Kulturen auf. Jetzt streift sie durch Parallelwelten immer auf der Suche nach bibliophilen Kostbarkeiten. Dabei lebt sie, wie ein altes chinesisches Sprichwort so treffend formuliert, in interessanten Zeiten. Ihr Lehrling ist ein Drachenprinz in menschlicher Gestalt, immer wieder wird sie von Elfen verfolgt, verraten oder beeinflusst.

Dieses Mal aber kommt es noch schlimmer. Alberich, ein ehemaliger Bibliothekar, der sich dem Chaos öffnete und seinen Eid verriet, ist nicht nur hinter Irene her, er will auch die Bibliothek vernichten. Unterstützt von Elfen scheint er sein Ziel zu erreichen - immer wieder gehen Tore in andere Welten in Flammen auf, werden Bibliothekare ermordet aufgefunden. Irgendwie scheint es einmal wieder an Irene zu sein, das Schlimmste zu verhindern - wenn sie es denn schafft, den Mordanschlägen zu entgehen…


Genevieve Cogman legt auch im dritten Teil ihrer Geschichte der Unsichtbaren Bibliothek ein sehr spannend zu lesendes Buch vor. Inzwischen habe wir das Personenkarussell verinnerlicht, kennen Lord Silver, den Botschafter Lichtensteins und gleichzeitig Elfenfürst eines viktorianischen Londons der etwas anderen Art. Dazu gesellt sich mit Vale ein genialer Detektiv, ein Drachenfürst und eine schier unerschöpfliche Anzahl fieser Gegner. Werwölfe, Elfen, Mörder und Magier verfolgen unsere toughe Bibliothekarin, die uns einmal mehr nicht nur ihre Welt, die Bibliothek, sondern auch andere Schauplätze offeriert.

Das letzte Mal besuchten wir ein chaosgetränktes Venedig, dieses Mal geht es ins ordnungsbestimmte Sankt Petersburg. Zeppeline, Himmelskutschen, die Zarin, ein unterirdischer - natürlich höchst illegaler Markt, eine Gegenbibliothek - die Autorin fährt auf, was gut und interessant ist. Allerdings verliert sie so manches Mal ihren Plot ein wenig aus dem Fokus, lässt sich von der eigenen Begeisterung mitreißen. So springt die Handlung öfter etwas unmotiviert, häufen sich die dramatischen Höhepunkte, die unsere Heldin eigentlich nicht überleben dürfte. Das geht ein klein wenig zu Lasten der inneren Logik des Romans, unterhält aber durchaus rasant.

Standen die ersten beiden Romane im Zeichen der im wahrsten Sinne des Wortes phantastischen Handlungsorte, in denen die Autorin dann ihre Mischung aus „Sherlock Holmes“, „James Bond“ und Magie platzierte, so richtet sich vorliegend das Interesse mehr als bislang auf die Figuren. En passent, fast in der Action des Finales untergehend, erhält unsere Protagonistin die Nachricht, dass ihre Eltern vielleicht gar nicht ihre Eltern sind, dass sie selbst hinters Licht geführt wurde. Nach wie vor ein wenig zu diffus bleibt mir der Elfe Lord Silver, der eine der interessantesten Schöpfungen des Plots darstellt. Was verbirgt sich hinter ihm, wie ist er einzuschätzen, wie steht er generell im Konflikt der Elfen mit den Drachen? Fragen, die auf eine Antwort warten.

Als Fazit bleibt, dass erneut großes Kopfkino auf den Leser wartet, er einmal mehr in eine interessante Kulisse entführt wird, in der die Liebe zum gedruckte Wort immer präsent ist, die rasante Unterhaltung aber nicht vergessen wird.