Ju Honisch: Seelenspalter - Die Geheimnisse der Klingenwelt 1 (Buch)

Ju Honisch
Seelenspalter
Die Geheimnisse der Klingenwelt 1
Titelbild: Arman Akopian
Knaur, 2017, Paperback, 810 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-426-51844-1 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Vor Äonen herrschten sie, die Urgorrn, gottähnliche Ungeheuer, die mit der Schöpfung spielten um sich am Leid der Menschen zu erfreuen. Eines Tages schufen sie Menschen, die anders, besser waren, als ihre Artgenossen. Diese wurden mit ganz unterschiedlichen, magisch anmutenden Kräften ausgestattet. Als sie sich gegen ihre Herren erhoben, kam es zum großen Krieg. Die Urgorrn wurden besiegt, ein Zeitalter des Friedens, der Wissenschaft und des Wohlstands brach in Predorenn an. Über den Frieden wachte der Rat von Predorenn, in dem sich die überlebenden Talentierten zusammenfanden

Doch, wie immer in der Geschichte, war auch dies nicht von Dauer. Angriffe, Neid und Missgunst bracht das blühende Reich zu Fall. Seitdem toben in den acht Königreichen verlustreiche, nie endende Kriege. Angefeuert werden diese durch eine mysteriöse Sekte von Assassinen. Die Schemenjäger der Xyi werden von Kindesbeinen an dazu erzogen, ihre Aufgaben zu erfüllen, ihre Ziele zu erreichen und ihre Opfer zu meucheln. Dass sie dabei vom Großmeister in einer Zeremonie, an die alle Beteiligten keinerlei Erinnerung behalten, einen Teil der Seele eines versierten, skrupellosen Mörders eingepflanzt bekommen, trägt nur zu ihrer Effektivität bei.

Maleni ist eine der Mörderinnen im Orden der Xyi. In Diensten des Geheimordens hat sie schon so manches Opfer vom Leben in den Tod befördert, hat sich als ebenso versierte Giftmischerin entpuppt, wie sie mit dem geschliffenen Stahl umzugehen weiß.

Nach ihrem letzten Anschlag auf einen despotischen Heerführer aber scheint ihr das Glück nicht länger hold zu sein. Gar zu zahlreich sind ihre Häscher, ihre Familie, die sichere Häuser und Unterstützung in jeder Stadt unterhält, ist weit weg. Als sie alleine gegen acht gestandene Kämpfer antritt weiß sie, das dies selbst für eine Schemenjägerin zu viel der Ehre, sprich zu viele Gegner sind. Da erhält sie unerwartet Hilfe. Ein Krieger mit leuchtend blauen Augen eilt ihr zu Hilfe - zurück bleiben acht gefrorene Leichen.

War ihr Retter einer der beiden umherziehenden Schmiede, die sie erst kürzlich getroffen hat? Aber der Recke, der ihr zu Hilfe eilte sah doch ganz anders aus - das Rätsel scheint nicht lösbar zu sein. Gemeinsam mit den Schmieden reist Maleni in die nächste Stadt, nur um dort vom Nachfolger ihres letzten Opfers gefangengenommen zu werden. Wieder eilt ihr der mysteriöse Kämpfer zu Hilfe, ihre Familie würde sie, dem größeren Ganzen zuliebe, opfern. Dass alles seinen Preis hat, dass die Schmiede weit mehr sind als simple Handwerker, entpuppt sich, als diese sich offenbaren. Beide sind die letzten in den Königreichen verbliebenen Ratsherren von Predorenn, die die gegen Gift resistente Mörderin brauchen, um an ihrem giftgeschwängerten einstigem Sitz Waffen, Erfindungen und Unterlagen zu holen.

Dann aber müssen sie erkennen, dass das Wesen, das hinter dem Assassinenorden steckt ihnen wohl bekannt ist - ein Urgorrn zieht die Strippen, ein Ungeheuer, das aufgehalten werden muss, koste es was es wolle. Doch zunächst muss Maleni sich entscheiden, wem sie ihre Treue, ihre Fähigkeiten und ihr Leben widmen soll - dem einstigen Lehrmeister, oder zwei gar nicht harmlosen Schmieden…

 

Fantasy aus deutschen Landen, das hat sich mittlerweile zu einem Qualitätssiegel entwickelt. Kai Meyer, Bernhard Hennen, Markus Heitz um nur drei einer glücklicherweise ständig wachsenden Anzahl von Autoren zu nennen, tummeln sich auf den Bestseller-Rängen der einschlägigen Listen und, und das ist sehr wichtig, lassen auch die Kassen der Buchhandlungen klingeln. Umso leichter haben es die Herausgeber der einschlägigen Reihen, entsprechende Werke aus Deutschland in ihrem jeweiligen Programm zu platzieren.

Ju Jonisch hat schon einige Romane veröffentlicht. Bei Feder & Schwert und Heyne bewies sie, dass sie zu fabulieren weiß und sich spannende Geschichten einfallen lassen kann, die auch den Zuspruch der Leser fanden. Nun hat sie ihr erstes Buch bei Knaur vorgelegt; ein 800-Seiten-Wälzer, für den der Verlag, um den Titel nicht gleich Ziegelsteinformat annehmen zu lassen, extra Dünndruckpapier ordern und bedrucken lassen musste.

Hat sich das Wagnis für Knaur, die Autorin aber auch den Leser gelohnt?

Definitiv! Ju Honisch erzählt nicht nur eine spannende Geschichte, sondern präsentiert uns auch eine Protagonistin, die weit abseits der üblichen Pfade wandelt. Als Auftragsmörderin stellt sie nicht unbedingt gängiges Heldenmaterial dar, überzeugt dann aber doch, indem sie sich, ihre Motive und Überzeugungen hinterfragt und sich wandelbar erweist. Zwar kennt der Fantasy-kundige Leser bereits andere Attentäter als Protagonisten, doch eine weibliche Mörderin, das ist neu und wahrlich nicht von schlechten Eltern.

Ansonsten fährt die Autorin auf, was gut und bewährt ist; ein zerfallenes Reich mit seinen Geheimnissen, Götter und Monster, Geheimorden und Kriegsknechte, Magie und jede Menge Kämpfe. Das Besondere aber sind ihre Figuren. Hier steht Maleni naturgemäß im Vordergrund. Eine weibliche Hauptperson, die sich als Kämpferin, mehr noch als Attentäterin entpuppt ist etwas Besonderes. Obendrauf sattelt Honisch dann noch eine gespaltene Persönlichkeit. Nein, die Rede ist nicht von Schizophrenie, sondern von einem Teil einer fremden Seele, die ihr eingepflanzt, mit der zu leben sie lernen und auskommen muss. Die Hälften sollen sich eigentlich zu einem einheitlichen Ganzen entwickeln und dabei mehr als die Summe ihrer Anteile bieten, doch der Anpassungsprozess ist schwierig. Auf der einen Seite das junge Mädchen mit Skrupeln, dem Sinn für Recht und Unrecht und dem Willen ihrer neuen Familie zu gefallen, auf der anderen Seite die Seele eines gnadenlosen Mörders, der bereit ist zur Erreichung seines Zieles sich selbst in jeglicher Hinsicht zu opfern. Aus diesem Zwiespalt zieht der Plot, die Figur viel Faszination und überrascht uns immer wieder von neuem.

Auch wenn die Autorin es gelegentlich mit den Fremdworten in ihrem Text übertreibt, liest sich selbiger flüssig und packend in einem Rutsch durch. Inhaltlich eigenständig überzeugt sie insbesondere mit der Zeichnung ihrer Hauptfigur und präsentiert uns abenteuerliches Lesegarn, das sich vor angloamerikanischen Konkurrenten nicht verstecken muss.