Stefan Lehnberg: Durch Nacht und Wind (Buch)

Stefan Lehnberg
Durch Nacht und Wind
Die criminalistischen Werke des Johann Wolfgang von Goethe
Aufgezeichnet von seinem Freunde Friedrich Schiller
Tropen, 2017, Hardcover, 238 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-608-50376-0 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Gegen Ende des 18.Jahrhunderts sind die einstigen literarischen Rivalen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller zu guten Freunden geworden. Infolgedessen begleitet Schiller Goethe zum Großherzog von N., der durch einen mysteriösen Brief gewarnt wird vor dem Fluch, der angeblich auf einem in seinem Besitz befindlichen wertvollen Smaragdring liegt. Nur die Vernichtung des Schmuckstücks könne die Gefahr abwenden.

Kurz darauf wird der Großherzog tot in einer Truhe aufgefunden, die von innen verschlossen war. Auch der Prinz von S., der die Tochter des Ermordeten hatte heiraten sollen, wird leblos vorgefunden - mit dem Ring am Finger. Goethe und Schiller stehen vor einem Rätsel, wollen aber nicht so recht an den Fluch glauben. Ein hinzugezogener Professor erhält den Auftrag vom neuen Großherzog, den Ring zu vernichten. Nun ist alles wieder gut. Oder?

Goethe und Schiller beschließen, ihre Ermittlungen fortzusetzen, denn es gibt zu viele Ungereimtheiten, und es kränkt ihre Ehre, dass man sie aus dem Schloss fortschickt und ihnen vorwirft, die Todesfälle nicht verhindert zu haben. Schon bald stoßen sie auf eine Spur, deren Verfolgung sich zu einer abenteuerlichen Schnitzeljagd entwickelt.


Mit „Goethe und Schiller: Das scurrilste Ermittlerduo vor Sherlock Holmes und Dr. Watson!“ wird auf dem Backcover für den vorliegenden historischen Krimi geworben. Das sorgt natürlich für eine gewisse Erwartungshaltung, vor allem wenn man so manchen Roman von Sir Arthur Conan Doyle und von den Autoren, die in den vergangenen Jahren in seine Fußstapfen zu treten begonnen haben, gelesen hat.

Man stellt sich auf einen komplizierten Kriminalfall ein, der teils durch Recherche, teils durch unkonventionelle Überlegungen gelöst wird. In den bekannten Erzählungen tritt Dr. Watson als Chronist auf, der Sherlock Holmes begleitet und dessen Vorgehensweise im sprachlichen Stil des viktorianischen Zeitalters kommentiert. Hier nun lässt Stefan Lehnberg Geheimrat von Goethe in die Rolle des Detektivs schlüpfen, während Hofrat Schiller als dessen Assistent wirkt und die Ereignisse aufzeichnet, ebenfalls sprachlich jener Zeit angepasst, wobei bei einzelnen Wörtern die damalige Schreibweise („bey“, „seyn“, „Thüre“) verwendet wird.

Die Geschichte kann man in den 1790er Jahren verorten anhand kleiner Hinweise wie den (Adels-) Titeln der beiden Protagonisten, der ‚wilden Ehe‘ von Goethe und Christiane Vulpius, der Freundschaft von Goethe und Schiller, die während der letzten fünfzehn Lebensjahre Schillers (gestorben 1805) bestand - der Autor hat den einen historischen Beleg oder die andere Anekdote sehr wohl nachgeschlagen.

Die Handlung ist auch tatsächlich recht verschlungen, zumal die Ermittler lange im Dunkeln tappen und sich immer wieder von ihrem gerissenen Gegenspieler hereinlegen lassen, wobei das noch nicht einmal alles ist. Dennoch will sich das „Holmes & Watson“-Flair nicht so recht einstellen, denn trotz der ‚Schillerschen‘ Kommentare vermisst man vielfach die ausführlichen Beschreibungen von Personen und Umfeld, die für eine anschauliche Kulisse hätten sorgen können. Stattdessen stehen ‚Schillers Schilderungen‘ im Fokus, die aber eher oberflächlich bleiben, häufig Dialoge und seine Gedanken wiedergeben, aber leider auch nicht so humorig sind, wie man es anhand der Bibliografie des Autors („Küss mich, Kanzler!“, „Mein Eid“ und so weiter) vermutet hätte.

In Konsequenz möchte man dem „scurrilsten Ermittlerduo“ durchaus Potenzial bescheinigen, doch einen Vergleich mit dem großen Vorbild „Holmes & Watson“ hält es in diesem ersten Band nicht stand. Eine Steigerung wäre notwendig - oder eine Loslösung vom Original und die Suche nach einem eigenen, individuelleren Weg, was nicht einfach sein dürfte.