Jon Skovron: Pakt der Diebe - Empire of Storms 1 (Buch)

Jon Skovron
Pakt der Diebe - Empire of Storms 1
(Hope & Red - The Empire of Storms Book 1, 2016)
Übersetzung: Michelle Gyo
Titelbild: John Gomez
Heyne, 2017, Paperback mit Klappenbroschur, 588 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31785-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert werden sollte. Das bedeutet, dass man sich Zeit lassen, seine Ressourcen und Kräfte nicht vergeuden sollte. Hope ist beseelt von dem Wunsch, nein besser noch: nach dem Drang nach Rache. Als sie acht Jahre alt war, überfielen die Biomanten, wie die Magier des Imperiums allüberall nur genannt werden, ihr Dorf, nahmen alle Bewohner - Erwachsene, Kinder und Greise - gefangen und nutzten sie für ihre dunkel-magischen Forschungen.

Nur Hope entkam dem Massaker, begrub die Toten und flüchtete übers Meer. Auf einer einsamen Insel findet sie Aufnahme durch den Abt des Vinchen-Ordens, der sie, allen Traditionen zum Trotz, in der Kunst des Kampfes ausbildet. Seine Ordensbrüder ziehen ihn dafür mit der Klinge zur Rechenschaft, vorher aber verhilft er seinem Lehrmädchen zur Flucht und überlässt ihr eine magische Klinge.

Als Leibwächterin eines Handelsschiff-Kapitäns verdient Hope sich ihre ersten Meriten, als dieser in einer Kaschemme in New Laven von seinem Ersten Offizier verraten und erschossen wird.

Vorhang auf für eine der schillerndsten Charaktere des Slums. Red, Abkömmling einer männlichen Hure und einer aus der adeligen Oberstadt gefallenen Künstlerin, hat nicht nur rote Augen, er ist auch bekannt dafür, ein Draufgänger par excellence zu sein. So ganz nebenher ist er auch noch eine treue Seele, ein verlässlicher Freund und der beste, wagemutigste Dieb der Kehre.

Nur mit seiner Hilfe gelingt es Hope, aus der Falle zu fliehen. Dass sich Red in sie verliebt, weckt komische Gefühle in ihr, für die sie weder Zeit noch Lust hat, zumal sich hinter seiner zur Schau gestellten Hochnäsigkeit ein wahrlich aufgewecktes und treues Kerlchen verbirgt. Dass er ihr aber bei ihrer Rache an den Imps und den Biomanten hilft, kommt ihr höchst gelegen. Allerdings erweist sich ihre Beute als weit gefährlicher, als gedacht…


Die Marketing-Strategen des Verlages werfen mit Lobeshymnen nur so um sich. Als Fantasy-Sensation wird der erste Roman des Autors, der sich an ein erwachsenes Publikum richtet, beworben.

Nun, die Sensation entpuppt sich bei genauerer Betrachtung zwar als durchaus fesselndes Fantasy-Abenteuer, aber auch nicht mehr. Dass man mit vorliegendem Buch in die Region eines Patrick Rothfuss, Brian Staveley oder Anthony Ryan vorgestoßen wäre, ist nicht der Fall. Allerdings liest sich der Roman in der versierten Übersetzung der mir unbekannten Michelle Gyo durchaus interessant und flüssig.

Inhaltlich erinnert die Grundsituation zunächst ein wenig an Lynchs „Locke Lamora“. In einer Fantasy-Welt, in der erste Projektilwaffen und Kanonen dabei sind, die herkömmliche Kriegsführung zu modernisieren, herrscht ein Imperator mit harter Hand über sein Imperium. Er stützt sich auf die Kräfte und die Treue seiner Magier, die Lebendiges zu verändern beherrschen, aus Tieren wie Menschen Ungeheuer zur Bekämpfung der Feinde machen. Dass sie dabei wortwörtlich über Leichen gehen, keine Skrupel kennen und Moral ihnen fremd ist, führt dazu, dass sie, wie ihr Herrscher, beim einfachen Volk verschrien, verachtet und gefürchtet sind.

Unsere Protagonisten kommen aus den sozial benachteiligten Schichten. Beide, ein junger Mann und eine gleichaltrige Frau, haben sich ihre Integrität bewahrt, sind somit ideale Identifikationsfiguren. Dass Beide dabei begnadete Kämpfer sind, dass sie von Geheimnissen umgeben sind, macht sie als Figuren interessant. Wie sie dann mit ihren dramatischen Lebensumständen umgehen, wie sie, als sie jeweils im Alter von 8 Jahren alleine in der Welt da stehen, sich durchbeißen, dabei aber trotzdem ihren inneren Kompass für richtig und falsch beibehalten, macht ihre Charaktere faszinierend.

Die angedeutete Love-Story bleibt glücklicherweise weitgehend im Hintergrund, stört den Handlungsfortschritt kaum, zumal die blauäugige Verliebtheit nicht wirklich überzeugend geschildert wird.

Alles in Allem legt der Autor einen durchaus packend zu lesenden Plot vor, der viel Faszination aus den Gegensätzlichkeiten (der Protagonisten wie auch der Gesellschaft per se) zieht und uns neugierig zurücklässt, wie es im Folgeband weitergehen wird.