Jonathan L. Howard: Das Erbe - Carter & Lovecraft 1 (Buch)

Jonathan L. Howard
Das Erbe
Carter und Lovecraft 1
 (Carter & Lovecraft, 2015)
Übersetzung: Andrea Bottlinger
Titelbild: Martin Frei
Cross Cult, 2016, Taschenbuch, 400 Seiten, 18,00 EUR, ISBN 978-3-86425-854-1 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Über den unerwarteten Selbstmord seines Kollegen, unmittelbar nachdem sie den Fall eines Kindermörders gelöst hatten, kommt der Kriminalbeamte Daniel Carter nicht hinweg und kündigt seinen Job beim NYPD. Fortan verdient er seinen Lebensunterhalt als Privatermittler. Eines Tages erscheint ein Anwalt in Dans Büro und informiert ihn über eine Erbschaft: Ein gewisser Alfred Hill ist vor sieben Jahren verschwunden und nun für tot erklärt worden. Sein Testament bestimmt Dan zum Erben von ‚Hills Büchern‘, einem Buchladen in Providence, den die Nichte des Verstorbenen, Emily Lovecraft, führt.

Weder kennt Dan einen Alfred Hill, noch weiß er, was er mit einem Buchladen anstellen soll. Kurzerhand schlägt er der überraschten Emily vor, seine Geschäftspartnerin zu werden und sich  weiterhin um den Laden zu kümmern, zum einen, weil es ihm richtig erscheint, zum anderen, um ihrem reichen, arroganten Freund Ken Rothermund eins auszuwischen.

Zwischen Dan und Emily entwickelt sich schnell eine auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen basierende Freundschaft. Darum weiht er sie auch in einen sonderbaren Fall ein, dem er aus persönlichem Interesse nachgeht, zumal ihn ganz offensichtlich jemand in diese Sache verwickeln will. Ein Mathematik-Professor wurde in seinem Auto ermordet, und wüssten es die Ermittler nicht besser, würden sie meinen, er sei ertrunken. Kamera-Aufnahmen beweisen, dass nicht das Opfer kurz vor seinem Tod Dan angerufen hat, sondern ein Unbekannter.

Ins Visier von Dans Nachforschungen gerät ein Kollege des Ermordeten, William Colt, ebenfalls Mathematiker. Es ereignen sich weitere mysteriöse Dinge, woraufhin Emily rät, dass Dan sich raushalten soll, weil ihm Gefahr droht. Aber dazu ist es bereits zu spät, denn Colt weiß von Dans Recherchen, er folgt ihm sogar zu Emily in den Laden, Ken beginnt sich zu verändern - und Dan stirbt in Colts Haus…


Schon der Titel verdeutlicht, dass Jonathan L. Howard („Johannes Cabal“-Serie) mit diesem Mystery-Thriller eine Hommage schaffen wollte, denn das Buch strotzt nur so vor Anspielungen auf Howard Phillips Lovecrafts Leben und seine Werke.

H. P. Lovecraft wurde 1890 in Providence geboren und wuchs dort auch auf. Sein Vater war Handlungsreisender, und die Mutter konnte ihren Stammbaum bis zu den ersten Siedlern zurückverfolgen, die 1630 die Massachusetts Bay erreichten. H. P. Lovecraft entwickelte früh ein starkes Interesse an Büchern und am Schreiben (phantastischer) Geschichten. Seine erste professionelle Publikation „Dagon“ erschien 1923 in „Weird Tales“. Er unterhielt Kontakte zu Kollegen wie Robert Bloch („Psycho“, „Der Psi-Mann“) und Robert E. Howard (Conan, Solomon Kane). 1924 heiratete er die sieben Jahre ältere Sonia Greene und zog mit ihr nach New York. Aufgrund finanzieller Probleme trennte sich das Paar einige Jahre später. H. P. Lovecraft kehrte nach Providence zurück, um bei seinen Tanten zu leben. In jenen Jahren schuf er die meisten seiner Schriftstücke. 1936 starb er an Darmkrebs.

Randolph Carter ist eine wiederkehrende fiktive Figur, die von H. P. Lovecraft geschaffen wurde und von der man vermutet, dass sie sein literarisches Alter Ego ist, schon aufgrund zahlreicher Gemeinsamkeiten. Im vorliegenden Roman wird er zur realen Person und zum Freund von H. P. Lovecraft erklärt, zudem als Vorfahr von Daniel Carter. Emily Lovecraft wird nicht bloß als Nachfahre bezeichnet, sondern ist überdies eine Farbige, in Anspielung auf die Ressentiments des Autors gegenüber Ausländern. Wie sich im Lauf der Handlung herausstellt, haben die Protagonisten ihrerseits Einiges mit ihren Ahnen gemein, das ihnen letztendlich ermöglicht herauszufinden, was überhaupt gespielt wird, wozu ihr Gegenspieler William Colt und andere Personen fähig sind, wie Colt es anstellt, die Wahrscheinlichkeiten in seinem Sinn zu beeinflussen, und was zu tun ist, um ihn und eine Veränderung der Realität, die in Gang gesetzt wurde, aufzuhalten.

So beginnt die Geschichte mit einem bizarren Polizei-Einsatz, bei dem ein Serienmörder erschossen wird und sich Dans Partner das Leben nimmt. Für die Geschehnisse und die merkwürdigen Fundstücke am Tatort gibt es keine konkreten Erklärungen, doch trägt jeder, der zu tief in den Fall verwickelt war, die Spuren in sich. Man ahnt, dass mehr dahintersteckt, als einfach nur Dan vom NYPD weg zu bekommen, denn die Erbschaft hätte er auch als Polizeibeamter annehmen können und die Ermittlungen gegen Colt, sobald sich die Hinweise gegen ihn verdichteten und die damit in Zusammenhang stehenden Motive des Serienmörders ins Blickfeld gelangten. Freilich, Letzteres wäre zu langwierig und kompliziert gewesen, auch bezüglich der Kompetenzen der involvierten Polizeibehörden. Als Privatdetektiv hat es Dan einfacher, die Story kann konsequent und ohne zusätzliche/nichts zur Handlung beitragende Hindernisse abgespult werden.

Stück für Stück legen Dan und Emily die Puzzle-Stücke aneinander und decken etwas auf, das weit über die Agitationen von Colt hinausgeht. Offenbar erfüllen sie damit den Auftrag eines Strippenziehers, der im Hintergrund bleibt und wohl weitere Pläne für die Protagonisten hat. Zwar ist das Buch in sich abgeschlossen, aber einige Fragen bleiben unbeantwortet, und auch der Titel „Das Erbe“, das die Geschichte erst so richtig in Gang setzt, nachdem sich die Reflektionen über den Kindermörder noch zähl lasen, deuten an, dass sich der Autor irgendwann wieder seinen Figuren widmen möchte. In den USA liegt gegenwärtig kein neuer Band vor, aber das kann sich jederzeit ändern.

Der Titel „Carter & Lovecraft“ macht glauben, es handle sich um einen Roman über den Autor und seinen ‚Freund‘, die es zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit einem - Titelmotiv! - Cthulhu-Monster zu tun bekommen. Manchmal ist es darum gar nicht so schlecht, auch den Klappentext zu lesen, der die Katze aus dem Sack lässt, dass es sich um die Nachkommen und eine im 21. Jahrhundert angesiedelte Story handelt.

Wenn das für den Lovecraft- beziehungsweise Horror-Fan auch in Ordnung ist, sollte er Jonathan L. Howards Hommage ruhig eine Chance geben. Nach dem trotz zweier Leichen etwas trägen Beginn entwickelt die Handlung einen stetig ansteigenden Spannungsbogen. Die Zusammenhänge erschließen sich erst nach und nach und bieten so manche Überraschung bis zum Ende, das die Option auf eine Fortsetzung beinhaltet.

Ein unterhaltsamer Schmöker mit Protagonisten, die durchaus Potenzial für weitere Bände haben.