Linea Harris: Mystische Mächte - Bitter & Sweet 1 (Buch)

Linea Harris
Mystische Mächte
Bitter & Sweet 1
Ivi, 2016, Paperback mit Klappenbroschur, 380 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-492-70421-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

An ihrem 17. Geburtstag erfährt Jillian Benett von ihrer Tante Amalia, die sie nach dem Tod der Eltern aufzog, dass sie eine Hexe ist. Zunächst will sie es nicht glauben, aber dann entdeckt sie an sich unumstritten magische Talente - und ein seltsames, bedrohlich wirkendes Wesen, das sie beobachtet. Viel Zeit zum Grübeln bleibt Jill nicht, denn sie soll auf eine Schule wechseln, an der Hexen, Werwölfen und Vampiren alles beigebracht wird, um unerkannt in der Menschenwelt leben oder für die Verborgenenorganisation arbeiten zu können, vielleicht sogar als Jäger der Mairas, den Lebensenergie saugende Halbdämonen aus der Unterwelt: Ein Maira war es, der Jill so erschreckt hatte.

Schon auf der Reise in die Winterfold-Akademie freundet sich Jill mit Alissa Collins an, und kurz darauf stößt auch der Nerd Derek Watson hinzu, beide ebenfalls Hexen. Natürlich gibt es eine fiese Tussi, und zwar Vanessa Cole, Tochter des VO-Leiters, die ihre Attraktivität und Papas Position für ihre Zwecke nutzt, um jenen zu schaden, die sie nicht leiden kann - und Jill nebst Clique gehören sogleich zu Vanessas Intimfeinden.

Leider eckt Jill immer wieder bei Lehrern und Mitschülern an, denn sie hat Dinge beobachtet und entwickelt Fähigkeiten, die so mancher für unglaubwürdig befindet. Darum ist sie sehr froh, dass Nathan Lockwood, einer der Lehrer, ihr Glauben schenkt. Und mehr. Denn der Schürzenjäger bricht ihr das Herz, sodass sie vorsichtiger wird und nur noch Ally und Derek vertrauen will. Sowie dem Vampir Ryan Almond, der sie zwar grob behandelt, jedoch immer zur Stelle ist, wenn sich Jill in Not befindet. Als sie gemeinsam einen Angriff der Mairas überleben, kommen sie einander näher, obwohl die Beziehung zu einem Vampir höchst gefährlich ist.

Zunächst will Ryan Distanz wahren, aber als ihm klar wird, über wieviel Macht Jill verfügt, die ausreichen sollte, auch jemanden wie ihn aufzuhalten, falls ihn der Blutdurst übermannt, möchte er ihrer Liebe eine Chance geben.

Für Jills Talente interessiert sich inzwischen auch Henry Cole, dem das Mädchen misstrauisch gegenübersteht. Er hat etwas an sich, das sie an seiner Aufrichtigkeit zweifeln lässt, und auch die Schulleiterin Annabell Grant warnt vor ihm und den Methoden der VO. Kann es sein, dass die Verborgenenorganisation die Schuld am Tod von Jills Eltern trägt? Woran hat Silva Baily gearbeitet, das so heikel war, dass sie sterben musste? Warum verhalten sich die Maira anders, als es gelehrt wird, und tauchen sogar dort auf, wo starke Schutzschilde Menschen und magische Wesen schützen sollten, schließlich auch an der Akademie?


Die Serie „House of Night“ von P. C. und Kristin Cast lässt grüßen - aber gewaltig! Es gibt so viele augenscheinliche Parallelen, dass man annehmen muss, dass Linea Harris (wer auch immer hinter diesem Pseudonym stecken mag) ein großer Fan der von 2009 bis 2014 gelaufenden Reihe ist, die es auf 12 Bände, 4 Spin-offs und 2 Sekundärbücher schaffte (im Gespräch ist auch eine Verfilmung). Hinzu kommen noch ein paar Anleihen aus Richelle Meads „Vampire Academy“ (6 Bände, 5teiliger Spin-off „Bloddlines“, verfilmt als TV-Serie) und Stephenie Meyers „Twilight“ (5 Bände, 1 Spin-off, 3 Graphic Novels, 5 Spielflme).

Tatsächlich ist Vieles analog: Ein junges Mädchen, erfährt, dass sie kein ‚normaler‘ Mensch ist und an einer speziellen Schule lernen muss, ihre Kräfte zu beherrschen. Natürlich entpuppt sie sich als etwas Besonderes und versetzt ihr Umfeld in Erstaunen, Bewunderung, Neid und Hass. Ein kleiner Kreis treuer Freunde steht zu ihr, doch es gibt etliche Feinde, die zunehmend gefährlicher werden. Die Liebe zu einem Lehrer erweist sich als Fehler, doch auch der neue Freund ist schwierig. Vertrauenspersonen entpuppen sich als die Verkörperung des Bösen, was die Frage aufwirft, ob alle angeblichen Gegner wirklich Feinde sind.

16 Bände „House of Night“ werden also in einer ‚light‘-Version, die - fürs Erste - 6 Bände umfasst (auf drei Teile „Bitter & Sweet“ sollen drei weitere mit dem Titel „Bitter & Bad“ folgen), von einer deutschen Autorin in ihrer Variante auf den Markt gebracht, um Leserinnen ab 13 Jahre, die noch nicht genug von verliebten Schul-Vampiren & Co. bekommen haben, neuen Stoff zum Träumen zu bieten, der inhaltlich vertraut ist und nur noch wenige Abweichungen in petto hat. Linea Harris’ Bücher erschienen zunächst unter einem Selfpublisher-Label und werden nun von Ivi, Pipers fantastischem Jugendbuch-Ableger, veröffentlicht.

Freilich geht das bewährte Konzept auf. Man darf sich mit der Protagonistin identifizieren, mit ihr lieben und leiden, recherchieren und überrascht werden, kämpfen und trauern. Die Charaktere sind sympathisch, geheimnisvoll oder mies und erfüllen ihre Rollen, ohne vom dankbaren Klischee abzuweichen. Es gibt sogar den ‚Quoten-Schwulen‘. Dass die Romanzen von der Marke clean sind, braucht man wohl kaum noch zu betonen.

Der erste Band von „Bitter & Sweet“ liest sich wie eine Nacherzählung von „House of Night“, aber die vielen neuen Titel im Jugendbuch-Bereich zu diesem Thema machen deutlich, dass der Hype immer noch nicht ganz vorbei ist und seine Fans hat. Kennt man andere Bücher des Genres, empfindet man die Handlung als vorhersehbar und bar größerer Überraschungen. Selbst das Ende wirkt konstruiert und Weichen stellend, als der arrogante Feind seine Motive ausführlich erklärt.

Wer das Thema mag, noch nicht so viel Vergleichbares gelesen hat und weniger kritisch ist, wird gut unterhalten und dürfte sich sehr auf die weiteren Teile freuen.