Monstress 1: Das Erwachen (Comic)

Majorie Liu
Monstress 1
Das Erwachen
(Monstress 1, 2016)
Übersetzung: Michael Schuster
Titelbild und Zeichnungen: Sana Takeda
Cross Cult, 2016, Paperback mit Klappenbroschur, 192 Seiten, 16,80 EUR, ISBN 978-3-95981-057-9

Rezension von Irene Salzmann

Maika Halbwolf ist 17 Jahre alt, als sie beschließt, nach Zamora zu gehen und sich von den Cumaea, einer Gruppe Arkaner, gefangennehmen zu lassen, um mehr über sich, ihre Mutter und deren Tod herauszufinden… und Rache zu nehmen. Tatsächlich gelingt es ihr, ein Foto und ein Artefakt - das Bruchstück einer Maske - an sich zu nehmen und zusammen mit zwei Kindern zu fliehen, die von den Arkanen benutzt worden wären, um deren Magie zu stärken beziehungsweise zu erneuern.

Unterwegs bricht Maika erschöpft zusammen. Als sie wieder zu sich kommt, hat sie keine Erinnerung, aber eines der Kinder ist tot, und das andere, der Fuchsjunge Kippa, hat schreckliche Angst vor ihr. Die Verfolger sind ihnen auf den Fersen und stellen sie schließlich. Da bricht etwas aus Maika - präziser: dem Stumpf ihres linken Armes hervor. Dem Dämon, der sie gern kontrollieren würde, ist es zu verdanken, dass sie einmal mehr den Häschern entkommen können.

Maika möchte in den Süden reisen und mehr über die unbekannten Personen auf dem Foto herausfinden. Vielleicht wissen diese auch, was mit ihr los ist, was das für ein Ding in ihr ist. Corvin vom Hof der Abenddämmerung, der die neuerlichen Verfolger erschlagen hat, überredet sie, mit ihm nach Norden zu ziehen, wo sie sicher wäre. Aber es ist eine Falle. Maika wird in Schlaf versetzt, weil man sie für zu gefährlich hält.

Plötzlich tauchen zahlreiche Arkane auf, die Maika in ihre Gewalt bringen und das Artefakt wieder in ihren Besitz bringen wollen. Die Schlacht beginnt…


Marjorie Liu ist für Comic-Leser keine Unbekannte. Beispielsweise schrieb die US-Amerikanerin die Geschichten zu „Daken: Dark Wolverine“, „Black Widow“ und „Astonishing X-Men“. Sana Takeda ist im Westen weniger bekannt. In erster Linie machte sich die Japanerin einen Namen durch Illustrationen für Trading Cards. Nachdem die beiden bereits gemeinsam an „X-23“ gearbeitet hatten, ergab sich mit „Monstress“ ein weiteres Projekt.

In diesem entführen sie die Leserschaft in eine Welt, die sich als Mischung aus Fantasy,  Horror, Endzeit-SF und Steampunk präsentiert. Es gibt fünf Völker: die Menschen, die Altertümlichen, welche über große Macht verfügen und den ägyptischen Göttern nachempfunden sind, die Arkanen (teils Mensch, teils Tier mit magischen Kräften, die Ihresgleichen und die Menschen versklaven), die Katzen mit vielen Talenten und die alten Götter, die man einst verbannte und womöglich Cthulhu als Vorbild haben. Man benutzt nicht nur Magie, sondern auch Technologie. Die gesellschaftlichen Strukturen sind matriarchalisch.

Wie diese Welt funktioniert, ist nicht so leicht zu erfassen. Die Informationen muss man aus der Handlung filtern und aus einigen Lektionen, die eine weise Katze erteilt. Das alles reicht aber noch nicht, um konkret benennen zu können, welche Gruppierung wofür steht und welche Ziele sie verfolgt, abgesehen davon, an Macht zu gewinnen und die anderen Parteien zu unterwerfen. Schließlich sind auch die einzelnen Fraktionen innerlich gespalten, und so mancher verfolgt andere Pläne, als er vorgibt, oder handelt unverhofft aufgrund neuer Erkenntnisse entgegen seinem Auftrag.

Inmitten dieses Chaos versucht Hauptfigur Maika, die „Monstress“, herauszufinden, wonach ihre Mutter geforscht hat, warum sie sterben musste, wer die Mörder sind, was man ihr selber angetan hat und wer oder was das ist, das sich in ihrem Körper befindet. In ihr ist ein Monster, das sie beherrschen will. Als Arkane ist sie selber auch eines, denn sie empfindet immer wieder Hunger und will töten, um mit fremder Lebenskraft dieses Bedürfnis zu stillen. Insofern kämpft sie an drei Fronten: gegen das Monster in sich und das, welches sie selber repräsentiert - der Kampf gegen die Verfolger wirkt nicht annähernd so dramatisch.

Gleichzeitig muss Maika lernen, anderen zu vertrauen, denn nicht jeder hegt heimtückische Pläne. Auch sie braucht jemanden, der sie stützen kann, doch weil sie sich selbst misstraut, ist sie in Sorge, dass sie genau jenen Schaden zuzufügen wird, die sie gern beschützen würde. Kippa fürchtet sich vor Maika, aber er spürt, dass sie nicht böse ist, und bemüht sich, ihr zu helfen. Dadurch erweist er sich als verlässlich, während der Kater Ren wankelmütig erscheint, obwohl er Maika ebenfalls im Auge behält.

Die vordergründige Handlung ist grausam - Sklaverei, Verstümmelung, Mord -, die innere kritisiert das System und seine Auswüchse auf subtile Weise. Man betrachtet die Welt als Begleitung von Maika und ihren Gefährten, doch fällt es schwer, Nähe zur Hauptfigur aufzubauen, denn sie wahrt auch zum Leser ihre Distanz. Das gilt genauso für die übrigen Figuren, ausgenommen Kippa, der noch ein Kind ist und hin und wieder für Überraschungen sorgt.

Die Zeichnungen sind sehr gefällig, teils realistisch, teils verzerrt, wenn sich die zunächst menschlich wirkenden Protagonisten ihrer Monstrosität ergeben. Während die Hintergründe oft ineinander übergehende Motive zeigen mit meist nur angedeuteten Umrisslinien oder gar keiner Tuschung (Wald), werden Personen und wichtige Objekte durch kräftige Striche klar abgegrenzt und hervorgehoben. Das lässt ein wenig an den Jugendstil denken, ebenso die Ornamente der Roben und die Ausstattung der Häuser.

Die dramatische, rätselhafte Handlung macht neugierig, und man möchte mehr über diese gefährliche Welt erfahren. Auch die Geheimnisse, die mit Maika verbunden sind, lesen sich sehr reizvoll. Der Stil der Illustrationen passt hervorragend zur Handlung und trägt seinen Teil dazu bei, sich gern für den Kauf zu entscheiden. Allerdings sollte die Autorin hin und wieder einige Antworten geben, damit sich dem Leser die recht kryptischen Hintergründe nach und nach erschließen.