Tim Curran: Skull Moon (Buch)

Tim Curran
Skull Moon
(Skull Moon, 2014)
Übersetzung: Nicole Lischewski
Titelillustration von Michael Schubert
Luzifer, 2016, Taschenbuch, 335 Seiten, 13,50 EUR, ISBN 978-3-95835-139-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Wir schreiben das Jahr 1878. Die großen Kriege gegen die Indianer sind auch in Montana vorbei, die wenigen überlebenden Rothäute wurden ins abgelegene Reservat gesperrt, so dass man die verhassten Gesichter möglichst nicht mehr zu Gesicht bekommt. Wolf Creek ist ein kleines, auf den ersten Blick verschlafenes Dorf, das seine Daseinsberechtigung in erster Linie den in seiner Umgebung betriebenen Silberminen verdankt.

Der örtliche Sheriff ist ein aufgeblasener Säufer, der nicht mehr derselbe ist, seitdem man vor einigen Jahren einen Indianer gelyncht hat, den er in seiner Obhut hatte. Eines Tages, im klirrend kalten Winter Montanas, beginnt es. Eine Bestie, deren vier Krallen sich zentimetertief in beste Türeiche graben und die dreizehige Spuren hinterlässt, macht sich daran, die Bewohner des Dorfes zu jagen, zu ermorden und aufzufressen. Dass es immer nur Indianerhasser trifft ist das einzige verbindende Element bei den Morden.

Deputy U.S. Marshal Joseph Longtree, selbst Halbindianer, wird nach Wolf Creek entsandt, die Verbrechen aufzuklären. Dass er bei den örtlichen Gesetzeshütern nicht wohl gelitten ist, war ihm im Voraus klar - doch auch die Blackwood-Indianer lehnen ihn ab. Bei seinem ersten Besuch dort erfährt er von einer uralten Legende. Lang bevor die Weißen ins Land kamen. schlossen die Schamanen einen Bund mit dem Skullhead; einem Wesen, das durch Blutmagie gerufen wird und mit dem Morden nicht aufhört, bis alle Schuldigen getötet wurden…


Was ist das für ein Roman, den Tim Curran, der für mich zu den interessantesten zeitgenössischen Horror-Autoren zählt, hier vorlegt? Er beginnt wie ein waschechter Western, komplett mit Gunslingern, Viehdieben und stolzen Rothäuten, dann reichert Curran diese Handlung aber durch ein übernatürliches Element an. Gerade dieses, der Skullhead, prägt dann den Roman.
 
Ausgehend von Mythen der Ureinwohner Nordamerikas schildert uns der Autor in vielen sehr kurzen Kapiteln seinen Plot. Dabei baut er naturgemäß auf die Erwartungshaltung des Lesers in Bezug auf die bekannten Western-Motive, reichert diese aber immer wieder durch glaubhafte Schilderungen des Lebens zur damaligen Zeit an. Seine Cowboys sind harte Männer, die ihre Vorurteile pflegen, die ständig gewaltbereit, ja brutal gegen Schwächere vorgehen. Das hat mit Wildwest-Romantik nichts mehr am Hut, sondern wirkt in seiner Darstellung glaubhaft und überzeugend real.

Mit seinem Protagonisten, der trotz seiner gemischtrassigen Herkunft eben kein Bindeglied zwischen Indianern und Weißen darstellt, hat er einen guten Griff getan. Über diesen vermittelt er dem Leser einen unverfälschten Blick auf das von Not, Hunger und Vertreibung bestimmte Leben der Ureinwohner des Kontinents, aber auch eine genaue Charakter-Studie der weißen Dorfbewohner. Die Leichengräberin, die eine Tote als Lebensgefährtin hat, der Doktor, der nur noch dank Morphium praktizieren kann, der Priester, der auf der Kanzel wettert und im Geheimen mit einer kindlichen Prostituierten seinen Fetisch frönt - das sind markante Figuren, die den Leser faszinieren und für Spannung sorgen.

In Currans Büchern sind es allgemein immer die Gestalten, die den Plot bestimmen. Zwar sind die übernatürlichen Sequenzen immer interessant dargestellt und geschehen dramatische Ereignisse, doch interessanter sind für mich immer die Menschen, die sich dem Übernatürlichen stellen müssen. Hier tun sich Schicksale auf, die den Leser berühren, lernen wird Gestalten kennen, die nicht unbedingt sympathisch aber immer interessant sind. Dabei fragt man sich unwillkürlich, wie der Autor auf derart abgedrehte Ideen kommt. Das erinnert ein wenig an die Figuren aus einem Tarantino-Film, geht dann inhaltlich aber eigene, übernatürliche Wege.

So wird der Leser bestens unterhalten, beweist Curran einmal mehr, dass er ein toller Erzähler ist, dessen Imagination beeindruckt und dessen Plots man nicht so schnell vergisst.