Interviews

Im Gespräch mit: Joe Abercrombie

Der englische Fantasy-Autor Joe Abercrombie wurde im Juni in Stuttgart auf den Dragon Days mit dem Schwäbischen Lindwurm geehrt. Abercrombie, 1974 in Lancaster geboren, zählt zu den erfolgreichsten Fantasy-Autoren. Hierzulande erscheinen seine Werke seit 2007 bei Heyne. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hatte die Gelegenheit genutzt, und mit ihm ein Interview geführt.

 
Herr Abercrombie, lassen Sie uns mit Ihren ersten Büchern beginnen. In der ersten „Klingen“-Trilogie hatte ich den Eindruck, dass Sie mehrere Bücher verfasst hätten, die Sie nach dem Schreiben dann zu einem sehr komplexen, dichten aber dadurch auch unheimlich faszinierenden Plot zusammengefügt hätten. Stimmt dieser Eindruck, und wenn ja, schreiben Sie die verschiedenen Handlungsebenen parallel oder nacheinander?

Ich habe da kein festes Schema nach dem ich vorgehe. Ich habe viel experimentiert, immer wieder meine Arbeitsweise verändert, Neues ausprobiert. Man sagt so schön, dass man an jedem Buch, an dem man als Autor arbeitet, etwas Neues lernt, jedes Buch ist eine Herausforderung. Während ich ein neues Buch in Angriff nehme denke ich immer, was ich da nur für einen Mist zusammenschreibe, und dass ich das Manuskript am Besten in den Mülleimer werfen sollte. Wenn das Projekt dann soweit abgeschlossen ist, dass der Roman fertig vor mir liegt, versöhnt mich das Ergebnis dann doch wieder ein wenig mit mir selbst. Bei der Überarbeitung gefallen mir meine Bücher dann schon ganz gut und wenn das fertige Ergebnis in die Buchhandlungen kommt, bin ich recht zufrieden und warte gespannt auf die Reaktionen der Leser. Den ersten „Klingen“-Band habe ich Kapitel für Kapital verfasst, habe mich langsam und vorsichtig vorangehangelt uns versucht, meinen Weg zu finden, aber auch gespannt geschaut, wie sich meine Figuren entwickelten. Beim Mittelband der Trilogie bin ich dann anders vorgegangen, habe erst die Geschichte des einen Protagonisten geschrieben, dann die des anderen und später erst beide miteinander vermischt. Beim Überarbeiten am Ende versuche ich dann immer alle unterschiedlichen Handlungsebenen glatt zu ziehen, aufeinander abzustimmen und eine einheitliche Ausstrahlung zu finden und jeder Figur ihre Eigenheiten und eine durchgängig eigene Sprache zu geben.

In „Blutklingen“, dem bislang letzten Buch aus diesem Universum, haben Sie etwas gewagt, auf das ich lange gewartet habe. Sie haben einen alternden Mann, der die Bürden der Jahre fühlt, genommen und ihn zum Helden des Buches gemacht. Soweit ich das weiß, hat bislang lediglich Richard Morgan etwas Vergleichbares versucht. Wie kamen Sie auf die Idee? Und wo haben Sie, selbst noch ein Jungspund, dafür recherchiert?

Auch David Gemmell hat schon einmal über alternde Kämpfer geschrieben. Ich war immer interessiert an Figuren, die abseits des Üblichen agieren. Die Fantasy-Bücher, mit denen ich aufgewachsen bin, hatten immer die Tendenz, uns dieselben klassischen, jungen, perfekten Charaktere vorzustellen, zweidimensionale Gestalten, die ganz dem Guten verpflichtet waren und ihre Queste, ohne dass ihr Scheitel auch nur einen Millimeter verrutscht wäre, abschlossen. Das waren nicht die Figuren, die mich interessierten. Ich wollte etwas über Gestalten schreiben, die mental oder physisch gehandikapt waren, die ihr Päckchen mit sich tragen, die von ihrem Schicksal beeinflusst werden und entsprechend agieren. In „Blutklingen“ nahm ich eine Figur, die der Leser aus früheren Romanen kennt, und setzte diesen in einen Plot, der ein wenig abgewandelt sich auch gut als Western geeignet hätte. Diese Figur ist älter geworden, vielleicht sogar ein wenig weiser, aber letztlich nach wie vor eine recht hilflose Gestalt in Bezug auf selbstbestimmtes Handeln. Das Schicksal meint es nicht wirklich gut mit ihm und er hat gelernt, dass er der Gewalt, die sein Leben bestimmt, nicht entfliehen kann, auch nicht wirklich fliehen will, da er nur so das, was ihm lieb und teuer ist schützen kann. Man kann auch sagen, er kann vor sich selbst nicht davonlaufen und muss sich so akzeptieren, wie er eben ist - auch wenn dies manches Mal schwerfällt und ein schmerzhafter Selbsterkenntnisprozess ist. Ich habe versucht, mich in diese Figur hineinzudenken, was sie wohl fühlen würde, wenn solch ein mächtiger, kraftstrotzender Mann bemerkt, dass sein Körper anfängt, ihn im Stich zu lassen, wie es sich wohl anfühlt, wenn man Tag um Tag bei Wind und Wetter durch eine lebensfeindliche Umgebung läuft, wie einem da, anders als bei Frodo und Co., die Beine weh tun müssen.

Sie sind bekannt als ein Autor, der sich bemüht, lebensechte Figuren zu erschaffen. Gestalten, die weder ganz gut noch ganz böse sind, die entsprechend ihrer Herkunft und ihrer Lebensumstände agieren, Ist Ihnen dies ein Anliegen, Ihre Figuren möglichst real zu zeichnen?

Oh ja, das sehe ich als das Wichtigste an, um das es in meinen Büchern geht. Mich interessieren keine zweidimensionalen Figuren, die immer denselben Handlungsschemata folgen, ich will etwas über Gestalten erfahren, die von den Ereignissen geprägt werden, die getrieben werden von ihren ganz eigenen Ängsten und Wünschen, deren Motivation man verstehen kann. In den 80er und 90er Jahren war die Fantasy relativ uniform. Wir hatten immer dieselbe Heldengruppe, die auszog die Queste zu absolvieren und am Schluss ins Schloss einzuziehen. Die Autoren konzentrierten sich damals mehr auf das Setting als auf ihre Charaktere, so dass der Handlungsort ein gewisses Übergewicht bekam. Mich interessierten die Unterschiede der Fantasy-Welt zu unserer Welt nicht wirklich. Ich wollte wissen, wie es „meinen“ Figuren erging, wie sie sich fühlten, warum sie so handelten wie sie es taten, und was sie dazu gebracht hat, eben so zu agieren. So stehen bei mir die Figuren im Vordergrund, der Handlungsort ist sekundär, das phantastische Element bleibt ganz bewusst im Hintergrund. Ich wollte Fantasy schreiben, in denen der Leser ganz nah an den Figuren ist, sie versteht, ihre Handlungen nachvollziehen kann. Mein Anspruch an mich selbst ist es, dass ich meine Leser in den Kopf meiner Figuren hineinversetzen möchte, sie mitfühlen lassen möchte, wie schlimm, wie unschön das Leben inmitten von Krieg und Not wirklich ist.

Lassen Sie uns zu „Königsschwur“, Ihrem letzten bei uns veröffentlichten Buch kommen. Als ich den Roman las, war ich insoweit überrascht, als ich ein wenig den Eindruck hatte, dass ich einen Young-Adult-Roman - auch All-Age-Roman genannt - in Händen hätte. Blutig, dreckig wie ein Abercrombie eben sein muss, aber doch ganz anders, kürzer, mehr fokussiert auf die wenigen Figuren als bei den „Klingen“-Bänden. War das für Sie auch ein anderes Arbeiten, als bei einem Buch, das nur für Erwachsene geschrieben wurde?

Mein Agent und auch die Verlage waren schon früher an mich herangetreten mit der Überlegung, ob ich nicht etwas für den boomenden YA-Markt schreiben könnte. Nachdem ich den sechsten „Klingen“-Roman beendet hatte, wollte ich ein wenig Abstand von den umfangreichen Romanen haben, wollte etwas Neues ausprobieren, etwas das sich auf weniger Figuren konzentrieren würde. Etwas, das mehr wie ein Thriller aufgebaut wäre und das auch in sich selbst stringenter angelegt ist. Ich war und bin ein wenig frustriert, wie die epischen Fantasy-Romane und -Zyklen immer umfangreicher und länger werden und so mancher potentieller Leser von solchen dicken Büchern verschreckt wird. Heutzutage ist „Der Herr der Ringe“ fast schon ein kurzes Werk, verglichen mit vielen der Ziegelsteine, die uns in den Buchhandlungen erwarten. Ich wollte mich ganz bewusst auf einen Handlungsstrang konzentrieren, was nicht heißen soll, dass ich es mir einfach machen wollte, dass meine Figuren nicht vielschichtig angelegt sein sollten. Dabei behielt ich immer im Hinterkopf, dass sich die Bücher, die ich mit 14 gelesen habe, sich nicht wirklich von den Werken unterscheiden, die ich jetzt gerne lese. Wenn ich also für junge Erwachsene schreibe, dann sind das eben doch Erwachsene und ich etwas vorlegen wollte, das Leser jeglichen Alters ansprechen sollte. Als Ergebnis dieser Überlegungen kam ein Buch heraus, das bei uns in Großbritannien als Crossover vermarktet wird, in den USA erschien es, wie bei Ihnen bei Heyne, ganz normal in der Fantasy-Reihe, in Frankreich im Jugendbuch-Bereich.

Würden Sie es Ihrer 8jähren Tochter zum Lesen geben?

Ja, genau das habe ich auch gemacht, und sie hat es auch gelesen, mir dann aber mitgeteilt, dass das mit Harry Potter einfach nicht mithalten könnte. Der zweite Band, der im Sommer auf Deutsch erscheint, ist ein wenig härter, bringt deutlicher Gewaltschilderungen; da hätte ich bei einer 8jährigen Bedenken, hier wäre eine Zielgruppe ab 12 Jahren eher anzupeilen.

Schaut man sich Ihre Bücher an, so bekommt man den Eindruck, dass Ihr Haupt-Thema der Krieg ist. Jedes Ihrer Bücher handelt in der einen oder anderen Weise vomnkriegerischen Auseinandersetzungen. Was macht ausgerechnet dieses Thema so interessant für Sie?

Kriege sind faszinierend, einfach weil sie so bedeutsam für die Entwicklung der Menschheit waren und sind. Allerdings wird der Krieg in den allermeisten Fantasy-Romanen als etwas beschrieben, das strahlend, sauber ist, dessen Ausgang von dem persönlichen Einsatz Einzelner, von Planung und der moralischen Überlegenheit des späteren Siegers geprägt und entschieden wird. Ich habe hier viel nachgelesen und musste feststellen, dass der Ausgang eines Krieges fast immer von Zufällen, Fehlern und Glück abhängt. Man kann noch so sorgfältig planen, sind die Soldaten einmal im Feld, entwickelt sich alles ganz anders als vorausgeplant - und auch weit dreckiger, schrecklicher, als es uns in Filmen und Bücher zumeist vorgegaukelt wird. Kriege haben einen immensen Einfluss auf die Beteiligten, auf ganze Gesellschaften; wie sie denken, wie sie sich verhalten und entwickeln. Dazu kommt, dass Kriege immer auch dazu geführt haben, dass bahnbrechende technische Erfindungen gemacht wurden. Im Gegensatz zu den Beschreibungen in den gängigen Fantasy-Zyklen werden Schlachten oftmals durch die Sympathie der Befehlshaber oder deren gegenseitige Ablehnung, Neid und Verachtung entschieden und eben nicht durch persönlichen Einsatz. Inkompetenz und schlichte Dummheit sind weit größere Faktoren, was den Ausgang eines Kampfes anbelangt als die Planung am Manövertisch.

Ist der Erfolg, den Sie mit Ihren Büchern erreicht haben, eher ein Anspruch oder doch vielleicht eine Last für Sie?

Natürlich schmeichelt es mir, wenn meine Leser nach weiteren Büchern aus meiner Feder rufen und es ist auch sehr angenehm, wenn die Verlage anrufen und nach weiteren Romanen fragen. Das hat mit dem Ego ebenso zu tun, wie mit dem Bankkonto, aber man darf auch die Nachteile von Erfolg nie außer Acht lassen. Ich kenne eine ganze Reihe von Autoren, die dem Erwartungsdruck nicht standhalten konnten. Es ist ein Riesenunterschied, ob ich als Hobby in meinem stillen Kämmerlein in erster Linie für mich selbst einen Plot verfasse und mein Gehalt von meinem Day-Time-Job beziehe, oder, ob ich mich als Autor mit einer Reihe von erfolgreichen Büchern selbstständig gemacht habe und vom Schreiben leben muss. Nicht nur die Erwartungshaltung der Leser und des Verlages setzen den Verfasser hier unter Druck, er weiß, dass er seine Rechnungen nicht wird bezahlen können, wenn er den Abgabetermin nicht einhält, wenn das Manuskript dem Verlag nicht gefällt, wenn die Leser an seinem Text keine Freude finden. Das erfordert ein Umdenken; was früher nur Hobby war, wandelt sich zur Arbeit. Man muss sich selbst immer vom Neuen motivieren und das große Projekt Buch in kleine Stücke herunterbrechen, die man dann eines nach dem anderen abarbeitet. Jedes Buch ist eine neue Herausforderung, aber natürlich ist die Begeisterung, die einem als Autor zum Beispiel bei Lesungen entgegengebracht wird, sehr erfüllend und motivierend. Hier gibt es auch erstaunlicherweise keinerlei Unterscheide, wo ich mich gerade befinde. Leser in den USA sind nicht anders, als die in Deutschland oder in Frankreich, sie alle vereint die Liebe zum Buch.

Wie haben Sie sich als Autor über die Jahre fortentwickelt?

Man lernt mit jedem Buch dazu, versucht neue Herangehensweisen, probiert Neues aus. Es besteht natürlich immer die Gefahr, dass man der Versuchung nachgibt, auf eingefahren Gleisen zu fahren und die bereits einmal begangenen Pfade wieder zu begehen, sprich, sich selbst zu kopieren. Es gibt immer Leser, die im Grunde dieselbe Geschichte noch einmal lesen möchten, die nach einer Fortsetzung der Fortsetzung fragen, um den eingeführten Personen in neue, alte Abenteuer zu folgen. Mir aber liegt das nicht, ich möchte Neuland erforschen, mich frischen Charakteren zuwenden und unbekannte Wege beschreiten. Das beinhaltet aber auch immer die Gefahr, dass einem Autor die Leser nicht mehr folgen wollen, dass man das Risiko eingeht, sie zu enttäuschen oder nicht länger faszinieren zu können. So ist dies eine Gratwanderung, und doch bin ich der festen Überzeugung, dass jeder Autor nur dann überzeugend zu fabulieren in der Lage ist, wenn er selbst vom Plot gepackt wurde, wenn er mit Herzblut an der Tastatur sitzt.

Haben Sie noch Potential nach oben, gibt es etwas, das Sie noch lernen können, lernen müssen?

Natürlich, ich versuche immer Kritiken unvoreingenommen zu lesen, mich auf die kritisierten Punkte einzulassen und mich selbst zu hinterfragen. Natürlich gibt es im Web viele Kritiken, die mehr kommentierte Inhaltsangaben sind, doch immer wieder stößt man dann auf Rezensionen, die tiefer gehen. Zumeist bin ich dann angefressen, wütend, dann denke ich über die Kritik nach und erkenne oft, dass sie berechtigt ist. Das sind dann die Momente, wenn man als Autor dazulernt. Ich versuche immer mich zu verbessern, die Beschreibung der Charaktere vielschichtiger zu machen, realistischer rüberzukommen, geschmeidiger zu formulieren. Am Anfang einer Karriere geht man mit unheimlich viel Begeisterung an die Aufgabe heran, rast in der Handlung förmlich voran, ohne groß über Syntax oder stilistische Feinheiten nachzudenken. Das lässt im Lauf der Jahre ein wenig nach, wird aber durch die Erfahrung, die man als Autor gewonnen hat, aufgewogen.

Möchten Sie Ihre bereits erschienen Romane nochmals überarbeiten?

Nein, nicht wirklich. Dann würde ich in zehn Jahren wieder vor dem veränderten Manuskript sitzen und denken, dies oder das sollte ich abändern, vielleicht besser machen, nein die Bücher stehen für sich, sind das, was ich zu dem Zeitpunkt, als ich sie schrieb, imstande war zu leisten und die Leser mögen sie so, wie sie sind. Ich habe gerade an den drei YA-Büchern unheimlich viel über Tempo und Anlage eines Plots gelernt und will in der Zukunft kürzere Bücher als die „Klingen“-Romane schreiben. Kürzer, aber eben durch die gewonnene Erfahrung konzentriertere Bücher auf das was wichtig ist, und den letztlich unnötigen Ballast außen vor lassen.

Das nächste Projekt ist eine Kollektion von ca. einem Dutzend Storys aus dem „Klingen“-Universum, die neben Geschichten, die bereits in Anthologien erschienen sind, auch neue Erzählungen umfassen sollen.

Ja, daran arbeite ich zurzeit sehr intensiv. Über die Jahre sind diverse kurze und längere Storys in Anthologien aber auch als Bonus-Storys zu den Romanen in verschiedenen Ländern erschienen. Für den Fan der Reihe sind diese kaum mehr zu bekommen, so dass es nahe lag, sie zusammenzufassen und gemeinsam zu präsentieren. Ich habe darüberhinaus drei neue Geschichten, darunter eine längere Novelle, zusätzlich für die Veröffentlichung geschrieben, so dass auch ganz neues Material auf den Leser wartet. Inhaltlich geht es um Figuren, die bislang eher im Hintergrund agierten, die jetzt in das Rampenlicht treten und auch um ganz neue Gestalten, die das Bild von meiner Welt abrunden und vervollständigen.

Danach geht es in einer neuen Trilogie wieder in das „Klingen“-Universum. Können Sie uns hier den Mund ein wenig wässrig machen?

Da ist noch Vieles im Ungewissen, da ich mit den drei YA-Büchern, die im Halbjahresabstand publiziert wurden, beschäftigt war. Inhaltlich werde ich wohl eher auf die erste „Klingen“-Trilogie aufsetzen anstatt auf die Einzelromane, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Eine Generation weiter kommen zwar Figuren aus der ersten Trilogie vor, sie stehen aber eher im Hintergrund, überlassen die Bühne ihren Kindern und Nachfolgern. Die Welt wird sich fortentwickelt haben zu einer vorindustriellen Welt. Ich bin kein Fan von Steampunk, und so wird man entsprechende Versatzstücke vergebens suchen. Ich plane eher die Veränderungen, die durch zum Beispiel der Eisenbahn und der damit verbundenen Anbindung ferner Gegenden an die Metropolen, den Transport von Rohstoffen, die Einführung der maschinelle Produktion deutlich zu machen und wie dies die Gesellschaft verändert, das interessiert mich. In der Wirklichkeit werden Kriege oftmals aus ökonomischen Gründen geführt. Und das will ich in meiner Welt darstellen, sie in sich glaubwürdig fortentwickeln. Um dies zu erreichen ist eine Menge an Planung von Nöten, ich muss mir im Vorfeld sehr genau Gedanken machen, wie ich Dinge in Bewegung setze. Ich habe dieses Mal vor, schon genau zu wissen, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird, bevor der erste Teil erschienen ist.

Schreiben Sie in erster Linie für die Unterhaltung der Leser, oder wollen Sie eine bestimmte Botschaft vermitteln?

In erster Linie möchte ich meine Leser unterhalten. Wenn ich eine bestimmte Botschaft für mein Buch im Hinterkopf hätte, dann würde ich dieser Botschaft zu viel Platz einräumen und den Plot vielleicht zu trocken anlegen. Für mich sind die Bücher die besten, die ihre Leser in die Geschichte hineinziehen, sie ihren Alltag vergessen lassen und ihre Botschaft als unauffälligen Bestandteil vermitteln. Die Charaktere stehen über allem und gute Figuren handeln interessant, so dass sich das gegenseitig bedingt, beeinflusst und letztlich befruchtet.

Sie werden heute Abend mit dem Schwäbischen Lindwurm ausgezeichnet - was bedeutet dieser Preis für Sie?

Das ist natürlich toll - der erste Preis, den ich mit meinen Büchern jemals gewonnen habe. Es schmeichelt mir dass die Dinge, die ich mir in der Mitte der Nacht ausgedacht habe, Menschen so berührt hat, dass sie meine Bücher so schätzen, dass sie mir einen Preis dafür verleihen. Ich sehe das als Ehre an und als Ansporn, weiter zu machen und immer zu versuchen, noch besser zu werden.

Letzte Frage, diesmal nicht über die Bücher, sondern über Großbritannien und die EU. Wie stehen Sie zum Referendum, soll, wird das Königreich die Europäische Union verlassen?

Hoffentlich nicht. Nein, ich bin dagegen, dass man gegen den Strom rudert und versucht, die Zeit zurück zu drehen. Europa hat weltweit in den letzten Jahrzehnten massiv an Bedeutung verloren, und nur ein gemeinsames Vorgehen kann uns das Gewicht verleihen, international zukünftig wirklich wahrgenommen zu werden. Wenn sich Großbritannien aus diesem Verbund lösen würde, würde meine Heimat massiv an Bedeutung und Einfluss verlieren. Natürlich wünschte ich mir die EU flexibler, weniger bürokratisch und frustrierend, doch kann und muss dies über Verhandlungen angegangen werden. Für mich ist die Idee, dass wir die EU verlassen, ein Wahnsinn der an Selbstzerstören grenzt.

Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben!

Ich danke und wünsche meinen Lesern weiterhin viel Spaß mit meinen Büchern!


Mein Dank geht an den Kurator des Schwäbischen Lindwurms, Tobias Wengert, und Frau Prähofer vom Heyne Verlag, die das Interview erst möglich machten.