Frank W. Haubold: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (Buch)

Frank W. Haubold
Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2012, Paperback, 240 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-986402-030-8 (auch als Hardcover und eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Auch in der fernen Zukunft hat die Menschheit die Geißel des Krieges nicht hinter sich gelassen. Zwar hat sie sich über die Galaxis ausgebreitet, Kolonien gegründet und in fliegenden Habitaten die Weiten erobert, doch Neid, Missgunst und Aggression haben sie begleitet. Seit Jahrzehnten greifen unbekannte, perfekt getarnte Raumschiffe der Burgons unschuldige Kolonien und Habitate an, ermorden deren Bewohner und zerstören mitleidlos die neue Heimat der Bewohner. Selten gelingt es dem Militär, zurückzuschlagen oder Erkenntnisse über den mysteriösen Feind zu gewinnen. Intelligente Bioraumschiffe scheinen hinter den Anschlägen zu stecken, selbst die Angels, wohlmeinende aber geheimnisvolle Aliens, wissen kaum mehr.

Raymond Farr hat lange Jahre als Kommandeur an Bord einer der Stationen gedient, die sich dem Kampf gegen die Burgons verschrieben haben. Zusammen mit Miriam, einer bezaubernden Frau, die nicht nur weit mehr über die Angreifer zu wissen scheint als allgemein bekannt, sondern die auch über eine unbekannte aber ultimative Waffe verfügt, gelingt es ihm, einen Gegenschlag zu initiieren. Dass Miriam zusammen mit ihrem Piloten dabei ins Ungewisse fliegt und vermisst wird veranlasst Farr nicht nur dazu, seinen Abschied aus dem aktiven Dienst zu nehmen, sondern auch eine Expedition auf die Beine zu stellen, die nicht nur Miriam suchen, sondern auch die Hintergründe der Angriffe aufklären soll…

In der Originalanthologie „Weltraumkrieger“ (herausgegeben vin Oliver Naujoks und Dirk van den Boom, Atlantis) hatte Frank Haubold eine Novelle veröffentlicht, die er nun neu aufgreift, erweitert und zu einer geplanten Space-Opera-Trilogie ausbaut.

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass sich auch der Kurd-Laßwitz-Preisträger dem Trend der Military SF anbiedern würde, dass ein weiterer „Krach-Bäng-Boom“-Roman auf den Leser warten würde. Bei näherer Betrachtung aber stößt man schnell auf markante Unterschiede, merkt, dass diese Annahme weit von der Realität entfernt ist. Auch hier gibt es das Militär, gibt es Kriegsschiffe und Raumschlachten. Doch diese stehen nicht im Mittelpunkt, sondern bilden einen Teil der Kulisse, in der Haubold seine eigentliche Handlung ablaufen lässt.

Nie plakativ oder aufdringlich zeichnet der Autor ein gerade in den Details glaubwürdiges Bild einer vorstellbaren Zukunft, wobei sich sein Leser diese selbst erschließen kann und muss. Geschickt legt er hier Hinweise, stellt immer einmal wieder andere Figuren ins Zentrum der Aufmerksamkeit und beleuchtet so sein Bild der Zukunft aus unterschiedlichsten Blickwinkeln. Vieles bleibt – noch – rätselhaft oder im Verborgenen, wenn man sich zusammen mit Farr auf die Suche begibt. Dabei wird schnell offenbar, dass scheinbar bekannte Tatsachen oft bei näherer Betrachtung nicht mehr so felsenfest zementiert bleiben, dass viele der Beteiligten ihr eigenes Süppchen kochen. Dabei wechseln sich dann kurze actionreiche Kapitel mit längeren, eher getragenen Sequenzen ab, in denen die Figuren Zeit haben zu reflektieren, Vorgänge zu hinterfragen und zu planen.

Mit vielen tollen, weil ungewöhnlichen Bildern angereichert, von denen Timo Kümmel eines kongenial als Titelbild um- und in Szene gesetzt hat, erwartet den Leser ein in sich spannendes, atmosphärisch sehr dichtes Werk, das auch durch seine ungewöhnlichen Charaktere besticht. Voller Ecken, Rätsel aber auch Sorgen fühlen diese Menschen sich echt im Sinne von überzeugend an. Das sind keine platten Abziehbilder, keine Personen aus der Schublade, sondern Gestalten die träumen, die hoffen und bangen. Das ist inhaltlich wie erzählerisch sehr weit weg von den Romanen eine John Ringo oder David Weber, nutzt die Militärmaschine lediglich als letztlich unwichtige Kulisse und zieht aus dem Abschlachten des Gegners – etwas, das bei Haubold erst gar nicht vorkommt – keinerlei Genugtuung. Dem Autor kommt es mehr auf die inneren Werte seiner Figuren an, er will uns aufzeigen, was sie antreibt, was Liebe und Verantwortungsgefühl bewirken kann

Stilistisch auf durchweg hohem Niveau setzt der Autor den Opfern eines sinnlosen Krieges ein Mahnmal, berichtet von aufopfernden Helden, tatkräftigen Forschern und einer Zukunft, die die Geißel des Krieges nicht überwunden hat.