Alisha Bionda (Hrsg.): Am Ende der Reise (Buch)

Alisha Bionda (Hrsg.)
Am Ende der Reise
Titelbild und Innenillustrationen: Crossvalley Smith
Fabylon, 2017, Paperback, 242 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-943570-89-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Der Anlass für den neuesten Band der „Ars Literrae“-Reihe ist ein trauriger. Im Mai 2015 verstarb der Künstler Crossvalley Smith. Die Floskeln in Nachrufen sprechen in einem solchen Fall oft von unerwartet und viel zu früh - in vorliegendem Fall treffen die Adjektive aber zu. Unerwartet und viel zu früh wurde ein Künstler, mehr noch, ein liebenswerter Mensch, der sich wie seine Freunde beredt Zeugnis ablegen immer für seine Mitmenschen interessierte, aus dem Leben gerissen. Ich persönlich kannte ihn nicht, bewunderte aber seine tollen Kunstwerke, die man auf seiner Website und als Titelbilder auf Büchern fand und findet.

Immer wiederkehrendes Motiv ist dabei die Zeit, das Verrinnen derselben und der Sensenmann in all seinen überlieferten Variationen. Nimmt man die sehr persönlichen, intimen Aussagen seiner Freunde, die im Buch auch zu Wort kommen, so war der Künstler ein Feingeist mit einem Gespür dafür, wenn seine Freunde ein offenes Ohr, Hilfe und Zuspruch benötigten. Das ist, gerade in unserer heutigen, hektischen Zeit nicht selbstverständlich, dass sich ein Mensch im wahrsten Sinne des Wortes Zeit für seine Mitmenschen nimmt, sich einfühlt, Trost spendet, Freude bereitet oder einfach nur da ist. Zu oft sind wir abgelenkt, meinen nur noch kurz dies oder das machen zu müssen, bevor wir dann für die wichtigen Dinge im Leben Zeit finden - bis es denn zu spät ist, einzuhalten und da zu sein.

Crossvalley Smith scheint einer der wenigen Menschen gewesen zu sein, die sich der Bedeutung und auch der Belohnung bewusst waren, für andere da zu sein und dass gerade solch ein rares Beispiel von humanistisch geprägten, weisen Menschen aus unserer Mitte gerissen wird, hinterlässt eine riesige Lücke.

Angeregt von seiner Freundin und Herausgeberin Alisha Bionda fanden sich Kollegen der schreibenden Zunft, aber auch Familienangehörige und Freunde zusammen, um uns in seinem Sinne angeregt durch die Motive seiner Bilder zu unterhalten.


Den Reigen eröffnet Arthur Gordon Wolf der uns in einer beeindruckenden Post-Doomsday Kulisse vom großen Bro erzählt.
Barbara Büchner nimmt sich auf gewohnt eigene Art der Volkssaga von der Knochenmühle, in der der Teufel höchstselbst die Gebeine zu Staub mahlt, an.
Marc-Alastor E. E. erweist in seiner Hommage an Sam Spade und Co. dem Noir-Detective-Plot seine Referenz.
Erik Hauser präsentiert uns einen Dämonenspiegel, dessen Darstellung nicht im Glas gefangen bleiben will.
Tanja Bern entführt uns in ihrer anheimelnden, melancholischen Geschichte in des Teufels Haus, in dem sich lang Verlorene wiederfinden.
Florian Hilleberg schildert uns in einer ergreifenden Geschichte das Schicksal von missbrauchten Kindern - die eines Tages genug von dem brutalen Onkel haben.
Uschi Zietsch entführt uns ins Reich der Swamper und den Nachfahren der kleinen Völker - bis ein Opfer sich zu wehren weiß.
Sophie Oliver stellt uns den dämonischen Wächters eines der Tore in die Unterwelt vor - der sich eines Nachts, dem ersten Urlaubstag seit Millennien, verliebt.
Tanya Carpenter teilt mit uns die Mär vom ganz besonderen Karussell - keine lärmenden Feuerwehrautos sind darauf montiert, sondern Drachen, Pegasusse und Einhörner - inkludiert ein dunkler, teuflischer Pakt.
Gabriele Ketterl entführt uns in die Hölle. Ein Engel ist für die Inhaftierung der Sündigen zuständig - und fehlt immer wieder. Doch Luzifer hat eine neue Aufgabe für den Unfähigen parat.
Lothar Nietsch berichtet uns von einer gemarterten Seele, die Dank der Baumeister, die sich um den leidenden Körper kümmern, letztlich Erlösung findet…
Barbara Büchner nutzt in ihrem zweiten Beitrag zur Anthologie das Motiv des heimgesuchten Hauses auf ganz andere, frische Weise. Ein altes Schloss im Schwarzwald wird vererbt - als die Bevollmächtigten das alte Gemäuer ansehen, um zu prüfen, ob es für ein Altersheim nutzbar wäre, werden sie von zwei jungen Männern erwartet - doch verbirgt sich hinter deren Äußerem etwas anderes.
Erik Hauser nimmt sich des Lovecraft’sche Motivs des Geigers aus Erich Zann an, transportiert es in die heutige Zeit und wandelt es zu einer erneut schreckenserregenden Geschichte.
Desirée und Frank Hoese schließen den Reigen mit ihrer Erzählung um einen mitleidlosen Jäger der gefallenen Engel.


Alles in Allem ist dies, der 11. Band der „Ars Literrae“-Reihe ein überaus gelungenes Werrk geworden. Ohne falsches Pathos wird hier auf sehr eigene, direkte, ja anrührende Weise eines Menschen gedacht, der eine schmerzliche Lücke hinterlassen hat - was kann man Besseres über einen Menschen sagen?