Michael Schmidt & Achim Hildebrand (Hrsg.): Zwielicht 6 (Buch)

Michael Schmidt & Achim Hildebrand (Hrsg.)
Zwielicht 6
Titelillustration von Björn Ian Craig
Saphir im Stahl, 2015, Taschenbuch, 350 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-943948-48-6 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Als Erik Schreiber Ende letzten Jahres bekanntgab, dass er aus persönlichen Gründen den Verlag Saphir im Stahl abgeben müsste, hatte ich meine Bedenken, dass ein Nachfolger „Zwielicht“ fortführen würde. Bekanntermaßen sind Magazine, in welchem Format auch immer, schwierig am Markt zu platzieren, ist der Leser- und damit Käuferzuspruch eher übersichtlich.

Nun, allen Unkenrufen zum Trotz, erscheint die mittlerweile sechste Ausgabe des Magazins pünktlich, und verwöhnt einmal mehr inhaltlich.

Neben den beiden kenntnisreichen Artikeln zum Leben und Werk Lovecrafts (von Katharina Bode), Bruno Schulz (von Eric Hantsch) sowie einen zu Jonathan Carroll (von Daniel Neugebauer), erwarten wiederum elf Geschichten, teilweise sogar illustriert, den Leser.

Insbesondere der Beitrag zum Wahl-Wiener Carroll hat mich zumindest dazu verführt, dessen wunderbare Werke einmal wieder aus dem Regal zu ziehen und auf den wieder-zu-lesen Stapel zu legen. Dass Carroll bei uns so wenig Beachtung findet, ist mehr als zu bedauern und eigentlich ein Armutszeugnis für die deutschsprachige Verlagslandschaft.

Was erwartet den Leser im Prosa-Bereich?

Wie wir dies von den „Zwielicht“-Anthologien gewohnt sind, haben die Herausgeber wiederum einen abwechslungsreichen Strauß an Geschichten für uns gebunden. Stilistisch ansprechend, inhaltlich abwechslungsreich und interessant, erwarten ganz unterschiedliche Beiträge den Interessierten.

In Christian Weis’ „Kleiner Vogel, flieg!“ begegnen uns skrupellose Mädchenhändler, die ihre Opfer für die Auktion schön machen – doch eine ihrer Gefangenen will fliehen; ob mit eingebildeter, oder tatsächlicher Hilfe, alles ist besser, als das was ihr bevorsteht – selbst der Tod wäre da besser. Doch vielleicht gibt es ja Hoffnung.

Henrike Curdts „Das letzte Müsli“ stellt uns eine Tochter aus einem behüteten Elternhaus vor, das im Spiel mit ihrer Freundin ihre Barbie-Puppe massakriert – doch ihr Opfer verlangt nach Rache, wie sie leidvoll erfahren muss.

Jörg Kleudgen stellt uns in „Penventinue“ einen ehemaligen Oxford-Professor vor, der ganz eigene Ideen und Vorstellungen von historischen Persönlichkeiten hat; fast, als wäre er ihnen wirklich begegnet. Als ihn einer seiner früheren Schüler besucht, verschwindet er spurlos – ein Verbrechen, oder etwas ganz anderes?

Tanja Hanika entführt uns in „Wer den Schorchengeist schimpft...“ in eine längst vergangene Zeit. Als Dorle eines Abends beim Spinnen in der Stube ihrer Patin den Schorchengeist als Hirngespinst abtut, ahnt sie nicht, dass dies Folgen nach sich ziehen wird.

In Jerk Götterwinds „Ich liebte ein Zombiemädchen“ verunglückt ein Giftmülltransporter in einer kleinen Stadt. Als sich die Leichen aus den Gräbern erheben und ihre Opfer unter der Bevölkerung suchen, kann ein junger Mann endlich seiner Angebeteten nahe kommen – auch wenn diese ohne Nase und unsicher auf den Beinen nicht mehr ganz so gut wie früher aussieht.

Sascha Lützeler stellt uns in „Absurde Logik“ eine junge Frau vor, die kürzlich ihren Freund verloren hat. Dass dieser als DJ allen Rauschmitteln gegenüber aufgeschlossen war, dass er das Leben bis zum Exzess liebte, war noch das Positivste, was man über ihn sagen konnte. Da ist sein Nachfolger doch von ganz anderem Kaliber – bis der Verstorbene im Spiegel zurückkommt und nach Rache schreit.

Lothar Nietsch stellt uns in „Zertifiziert“ einen Unternehmer der ganz besonders entscheidungsfreudigen Art vor, der sich gegen unnötige Zertifizierungen auf spezielle Art wehrt.

Marcus Richters „What really happened to Little Albert“ konfrontiert uns mit einen ganz besonderen Profiler auf der Jagd nach einem Serienkiller – dass die Beiden etwas verbindet, erweist sich in diesem Fall als besonders tückisch.

Tanja Wendorffs „Das Huhn am Klavier“ ist ein kurzes Stück über eine verarmte Schlossbewohnerin, der außer ihr Klavier und ihre Hühner nichts geblieben ist.

Michael Tillmann nimmt mit „Mit H. P. Lovecraft auf dem Bahnhofsklo“ zu den gefeierten, gesuchten und raren Anthologien um Ortschaften aus dem Oeuvre Lovecrafts auf ganz eigene, pointierte Weise Stellung.

Algernon Blackwoods „Max Hensing“ schließlich beendet den Reigen der Erzählungen ganz untypisch mit der Geschichte eines Mörders aus New York.